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Wie aktiv sind die "Reichsbürger" in unserer Region?

Nach Polizisten-Mord

Wie aktiv sind die "Reichsbürger" in unserer Region?

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    Diese seltsame Flagge wehte vor dem Haus des Täters in Georgensgmünd.
    Diese seltsame Flagge wehte vor dem Haus des Täters in Georgensgmünd. Foto: Nicolas Armer, dpa

    Die Bewegung der "Reichsbürger" ist in etliche Kleinstgruppen zersplittert. Sie umfasst sektenartige Gruppierungen von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen, die seit den 1980er Jahren entstanden und untereinander zerstritten sind. Nur in einem sind sie sich alle einig: Sie erkennen die Bundesrepublik nicht an.

    Deutschland sei kein echter Staat, sondern nur eine Verwaltung oder eine Firma, heißt es. Das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 bestehe fort. Die Anhänger sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab. Das äußert sich darin, dass sie Bescheide von Ämtern oder Gerichtsurteile nicht akzeptieren. Oft verwenden "Reichsbürger" Fantasie-Ausweise oder selbst gemachte Autokennzeichen. Die Gruppen haben keine feste Organisationsstruktur.

    Schwerpunkte der "Reichsbürger"-Bewegung in Schwaben sind das Allgäu, das Ries und Städte rund um Augsburg wie Neusäß, Gersthofen und Stadtbergen. Nach übereinstimmender Auskunft der beiden schwäbischen Polizeipräsidien in Augsburg und Kempten sind die Anhänger der Bewegung in der Region bislang nicht durch Gewaltbereitschaft aufgefallen. Es liefen aber immer wieder Ermittlungsverfahren unter anderem wegen versuchter Erpressung, Betrugs, Volksverhetzung und Amtsanmaßung. Bei Konflikten mit der Polizei seien "viele dieser Personen sachlichen Argumenten kaum zugänglich", sagte Thomas Rieger, Leiter des Präsidialbüros im Polizeipräsidium Schwaben Nord.

    Schlagzeilen hat Anfang des Jahres ein Vorfall im Amtsgericht Kaufbeuren gemacht: Anhänger der Reichsbürger sprengten eine Gerichtsverhandlung. Die Aktion gipfelte darin, dass die Angeklagte ihre Strafakte vom Richtertisch stahl. Einer der Störenfriede filmte das Ganze und stellte das Video ins Internet.

    "Ihre Ideologie ist völkisch und antisemitisch. Das ist klar rechtsextremistisch", Verfassungsschutzpräsident Burkhard Körner

    Am Amtsgericht in Augsburg wird ein großer Aufwand betrieben, um derartige Vorfälle zu verhindern. Wenn der Fall eines Reichsbürgers vor Gericht kommt, wird automatisch die Polizei angefordert, die dann den Gerichtssaal bewacht, Besucher kontrolliert, Ausweise kopiert und Smartphones abnimmt. Amtsgerichtspräsident Bernt Münzenberg hat seine Richter und Mitarbeiter schon mehrfach im Umgang mit den Reichsbürgern geschult. Oberste Priorität: Auf nichts einlassen und gelassen bleiben. Denn eines der Hauptziele der Staatsverweigerer sei, Verwirrung zu stiften.

    In anderen Bundesländern ist es schon öfter zu gravierenden Gewalttaten von "Reichsbürgern" gekommen, im Freistaat bis Mittwoch nicht. In Bayern sind nach Angaben des Verfassungsschutzes 30 bis 40 "Reichsbürger" dem Rechtsextremismus zuzuordnen. Speziell die "Exilregierung Deutsches Reich" stehe im Visier. "Ihre Ideologie ist völkisch und antisemitisch. Das ist klar rechtsextremistisch", sagte jüngst Verfassungsschutzpräsident Burkhard Körner unserer Zeitung. Und: "Der Kreis derer, die sich den Reichsbürgern irgendwie zugehörig fühlen, ist deutlich gewachsen." Darunter seien Querulanten, Spinner, Verschwörungstheoretiker und Geschäftemacher, aber eben auch Rechtsextremisten.

    In Westschwaben recht aktiv sind die sogenannten Germaniten. Diese Gruppierung wurde im Dezember 2010 von einer gewissen Ulrike Kuklinski auf der Schwäbischen Alb gegründet. Sie sieht sich als Opfer der deutschen Justiz und bildete mit Gleichgesinnten die Behindertenfürsorge "Deutsche Ringvorsorge", die Keimzelle des "Staates Germanitien". Die Bewohner verstehen sich allen Ernstes als souveränes Staatsvolk mit einem eigenen Staatsgebiet in den Grenzen von 1937.

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