Der prüfende Blick des Fahrprüfers im Nacken, die finanziellen Sorgen um den kostspieligen Führerschein im Hinterkopf und in Gedanken dazu die über 400 verschiedene Verkehrsschilder, die es zu beherrschen gilt – „Hiermit ist Ihre Prüfung beendet. Sie sind durchgefallen.“ Ein Satz, vor dem sich viele angehende Autofahrerinnen und Autofahrer fürchten, gleichzeitig auch viele zu hören bekommen: Im vergangenen Jahr scheiterte jede und jeder Dritte an der praktischen Führerscheinprüfung, gar jede und jeder Zweite in Bayern an der theoretischen. Um genau dies zu verhindern, hatte Nico Thomas, Fahrlehrer aus Augsburg, vor zwei Jahren eine ungewöhnliche Idee, die bei mehreren Millionen jungen Menschen gut ankommt.
Der 28-Jährige arbeitet seit vier Jahren in der Fahrschule Thomas in Göggingen. Und seit zwei Jahren können alle, die wollen, jederzeit und überall an seinen Fahrstunden teilnehmen. Zumindest virtuell und für knapp eineinhalb Minuten. Denn Thomas veröffentlicht wöchentlich kurze Videos auf TikTok, Instagram und YouTube, in denen er als „Fahrlehrer Nico“ Tipps zu den Augsburger Prüfstrecken vermittelt. Die Inspiration dazu lieferten ihm seine Fahrschülerinnen und Fahrschüler selbst. „Ich würde öfter gefragt: Kannst du mir Videos von den Grundaufgaben schicken? Die Schülerinnen und Schüler wollten sich so zu Hause nochmals auf die Prüfstrecken vorbereiten.“
Die Videos von Fahrlehrer Nico aus Augsburg haben teils über vier Millionen Aufrufe
Fahrstunden aus Augsburg im handygerechten Format – eine naheliegende Entwicklung, die in den digitalen Medien bestens ankommt. Thomas‘ Videos verzeichnen stets mehrere Tausend, teils vier Millionen Aufrufe. „Fahrlehrer Nico“ geht, umgangssprachlich gesagt, viral – und mit ihm die älteste Fahrschule Bayerns. Urgroßvater Peter Thomas gründete die „Fahrschule Thomas“ im Jahr 1934, mitten im aufziehenden Weltkrieg. „Meine Oma erzählt oft davon, wie der Unterricht bald darauf in ihrem Wohnzimmer stattfinden musste, weil ringsum alles zerbombt war“, berichtet Nico Thomas.
Meine Oma erzählt oft davon, wie der Unterricht in ihrem Wohnzimmer stattfinden musste, weil ringsum alles zerbombt war.
Fahrlehrer Nico Thomas, Vierte Generation der ältesten Fahrschule Bayerns
Gründer Peter Thomas übergab die Fahrschule 1963 an seinen Sohn Peter Thomas und dieser vertraute das Geschäft wiederum 2003 seinem Sohn Peter Thomas an. Also Peter Thomas an Peter Thomas an Peter Thomas. Und dann? „Ich bin der Erste, der nicht so heißt“, sagt Nico Thomas schmunzelnd. Er ist auch der Erste, der Fahrlehrer-Influencer geworden ist. Doch einen Generationenkonflikt gebe es deshalb nicht, versichert der 28-Jährige: „Mein Vater steht hinter mir.“

Ein kleiner Nebenverdienst für Thomas, eine große Hilfe beim Angstgegner Führerschein: Fast jede und jeder Zweite fällt laut TÜV-Verband durch die theoretische Prüfung. Auch Thomas erging es vor über zehn Jahren so. „Viele Fragen muss man einfach verstehen. Da hilft dann das Bulimie-Lernen, also viel in kurzer Zeit, nicht. Lieber nur 20 Minuten am Tag, dafür aber kontinuierlich.“ Noch gravierender ist es, an der Praxis zu scheitern: Dann kommen weitere 500 Euro zum ohnehin kostspieligen Führerschein hinzu. Laut Statistischem Bundesamt stiegen die Preise von 2023 auf 2024 erneut um knapp sechs Prozent, womit sich der Verteuerungstrend ungebremst fortsetzte.
Im Durchschnitt zahlen Fahrschülerinnen und Fahrschüler mittlerweile 3500 Euro, berichtet Thomas. Der Preis lasse sich etwas drücken: „Wenn ich in der ersten Stunde erklären muss, wo Kupplung und Blinker sind, kostet das schon 80 Euro. Dieses Grundwissen könnten sich Fahrschülerinnen und Fahrschüler auch selbst aneignen.“ Wer zusätzlich auf dem ADAC-Verkehrsübungsplatz üben würde, spare viel Geld.
Mittlerweile kostet der Führerschein durchschnittlich 3500 Euro
Von Fahrsimulatoren hingegen, auf die besonders CDU und CSU setzen, hält der 28-Jährige wenig. Blinker, Bremse, Schulterblick – wie in einer echten Fahrstunde, nur überwacht von der Kamera. „Es wirkt jedoch wie ein Computerspiel. Ich bezweifle, dass man so echtes Autofahren lernt. Für Menschen, die Panik vor dem Straßenverkehr haben, ist es jedoch eine gute Einführung.“
Doch wieso scheitern überhaupt so viele an den zwei Prüfungen – sind die Prüferinnen und Prüfer härter oder die Schülerinnen und Schüler schwächer als früher? „Die Verkehrssituation ist über die Jahre komplexer geworden. Mehr Regeln, mehr Autos und deutlich mehr PS-Leistung. Dazu kommen noch die vielen Baustellen in Augsburg, die alles unübersichtlich machen“, analysiert der 28-Jährige. Trotzdem streben nach wie vor viele junge Menschen nach dem Auto-Führerschein. Denn schließlich verkörpert er wohl mehr als die „Berechtigung zum Fahren eines Kraftfahrzeuges mit zulässiger Gesamtmasse von nicht mehr als 3500 Kilogramm“.
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