Ein Wandgemälde am Kramerzunfthaus in Memmingen: In diesem Haus verfassten die Bauern 1525 die berühmten Zwölf Artikel.
Bild: Waltl-Jensen
Ein Wandgemälde am Kramerzunfthaus in Memmingen: In diesem Haus verfassten die Bauern 1525 die berühmten Zwölf Artikel.
Bild: Waltl-Jensen
Sie wollten keine Leibeigenen mehr sein. Sie forderten, dass Strafen ausschließlich von einem unabhängigen Gericht verhängt werden. Und sie wollten das Recht haben, ihren Pfarrer wählen und absetzen zu dürfen. Im März 1525 verabschieden schwäbische Bauernvertreter in der Memminger Kramerzunft zwölf Artikel mit ihren Forderungen. "Obwohl die Ideen damals blutig und brutal niedergemetzelt wurden, haben sie weitergelebt", sagt Herbert Müller, Vorsitzender des Kuratoriums "Memminger Freiheitspreis 1525".
Die zwölf Bauernartikel aus Memmingen gelten für viele Historiker als Vorreiter der heutigen Menschen- und Freiheitsrechte, denen immer am 10. Dezember gedacht wird. 1948 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen an ebendiesem 10. Dezember die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte beschlossen.
Lange vor Französischer Revolution und der amerikanischer Unabhängigkeitserklärung
"Die Bauernartikel waren die erste Niederschrift - lange vor der Französischen Revolution und der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung -, die Menschenwürde mit Freiheitsrechten verbunden hat", sagt der Kuratoriumsvorsitzende. Er betont, dass die Bauern keinesfalls zu Gewalt, sondern zum Dialog aufriefen. "Geplante Dialogforen mit der Obrigkeit sind dann jedoch grausam niedergeschlagen worden", sagt Müller.
Dass die Zwölf Artikel entstanden sind, hing laut Müller mit der Übersetzung der Bibel ins Deutsche zusammen. "Dadurch konnten die Bauern zum ersten Mal lesen, dass alle Menschen gleich sind", erklärt er. Dank Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks haben Bauern im ganzen Land Flugblätter mit den Zwölf Artikeln drucken lassen. Insgesamt wurden 25 000 Flugblätter verteilt. "Das war damals eine Sensation", sagt Müller. "Das ist, als gäbe es plötzlich 5G-Standard in ganz Deutschland."
Während den Bauernartikeln in Deutschland lange Zeit wenig Beachtung geschenkt wurde, sah das im Ausland ganz anders aus. Müller erinnert sich an eine Reise nach Washington Mitte der 90er Jahre. An der Georgetown-Universität habe ihn die Vizepräsidentin sofort unterbrochen, als sie seinen Heimatort erfuhr, und sagte: "Memmingen, das ist die Stadt der zwölf Bauernartikel."
Um an die Bauernartikel zu erinnern, gibt es seit 2005 den "Memminger Freiheitspreis 1525". Alle vier Jahre werden Persönlichkeiten und Institutionen ausgezeichnet, die sich für Freiheit, Recht und Gerechtigkeit einsetzen. 2016 ging der Preis an den katholischen Bischof Erwin Kräutler. Der Österreicher setzt sich für die Menschenrechte der brasilianischen Indios und die Erhaltung des tropischen Regenwaldes im Amazonas-Gebiet ein.