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Wo die wilden Klausen hausen

Brauchtum im Allgäu

Wo die wilden Klausen hausen

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    Früher sollten mit dem Brauchtum böse Geister vertrieben werden: Heutzutage ist es zwar noch ein gruseliges Spektakel - aber der Spaß steht im Vordergrund.
    Früher sollten mit dem Brauchtum böse Geister vertrieben werden: Heutzutage ist es zwar noch ein gruseliges Spektakel - aber der Spaß steht im Vordergrund. Foto: Benedikt Siegert

    Gruselige Masken, rot leuchtende Augen, Geschrei, Glockengeläut – und der ein oder andere Rutenhieb: Bald treiben die Klausen wieder ihr Unwesen. Wie und warum der Brauch des Klausentreibens ursprünglich entstanden ist, darüber besteht keine Gewissheit, aber mit der Vertreibung böser Geister soll er zu tun haben.

    Sicher ist: Die Organisation und Durchführung der Brauchtumsveranstaltung ist mit viel Arbeit verbunden. Allein die Herstellung eines Kostüms dauert rund 15 Stunden. Und auch sonst gilt es viel zu beachten, gerade beim Thema Sicherheit. Denn im Vordergrund soll vor allem der Spaß stehen – für die Klausen selbst und die Zuschauer. Trotzdem kommt jedes Jahr aufs neue die Diskussion auf: Was dürfen die Klausen und was geht zu weit? Denn wer den gruseligen Gesellen zu nahe kommt, dem blüht ein Schlag mit der Weidenrute.

    Die Tradition des Klausentreibens:

    Das Klausentreiben ist im Allgäu schon seit Langem Tradition: „Das gibt es im ganzen Alpenraum in verschiedenen Formen. Die genaue Entstehung kann man aber nur vermuten“, erklärt der Sulzschneider Walter Sirch, der beim bayerischen Trachtenverband für das Sachgebiet Mundart, Brauchtum und Laienspiel zuständig ist. Eine der gängigsten Ansichten sei, dass es sich um einen heidnischen Brauch handelt.

    Im Winter sollten durch Lärm und Krach böse Geister aus den Dörfern vertrieben werden. In anderen Quellen heißt es, durch die furchteinflößenden Masken und das Glockengebimmel sollte den Geistern vorgegaukelt werden, dass im Ort bereits böse Mächte anwesend sind und sie daher anderswo ihr Unwesen treiben sollen.

    So oder so: Dass das Klausentreiben mittlerweile am fünften oder sechsten Dezember stattfindet sei kein Zufall. Im Zuge der Christianisierung wurde dieses Datum mutmaßlich gewählt, um dem lobenden heiligen Nikolaus tadelnde Gesellen an die Seite zu stellen. „So wurde der Brauch erhalten und zum Selbstläufer“, sagt Sirch. Schriftliche Nachweise für den Brauch gebe es aber erst seit der Mitte des 17. Jahrhundert.

    Patrick Hailand und Matthias Mayr organisieren heuer zum zweiten Mal das Klausentreiben in Aitrang. Im vergangenen Jahr hätte es beinahe kein Treiben mehr im Ort gegeben, weil die bisherigen Veranstalter sich zurück gezogen haben. Deswegen hat die Freiwillige Feuerwehr die Schirmherrschaft übernommen. „Es wäre so schade gewesen, wenn der Brauch einfach stirbt“, sagt Mayr.

    Mittlerweile setzen viele Gemeinden wieder auf das Aufrecherhalten der Tradition, neben Aitrang sind im Ostallgäu zum Beispiel auch Stötten, Obergünzburg und Wald für ihre Veranstaltungen bekannt. Zwischenzeitlich hatte das Klausentreibens aber an Bedeutung verloren – auch wegen der oftmals rauen Umgangsformen. In seinem Buch „Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus“ aus dem Jahr 1895 schreibt Karl August Reiser bereits: „Auch sonst ist fast überall der Rumpelklaus schon längst abgekommen, da die Kinder ob des Schreckens und der Furcht oft dauernden Nachteil erlitten. Wo man ihn noch kennt (...) verläuft der Hergang in maßvolleren Grenzen.“

    Maß halten

    Maß und Ziel wollen Hailand und Mayr auch in Aitrang walten lassen. „Es geht nicht darum, Leute zu verschlagen, sondern eine Veranstaltung zu bieten, bei der viele Menschen zusammen kommen und Spaß haben“, sagt Hailand. Sollte dennoch jemand den Eindruck haben, einer der Klausen gehe zu weit, könne sich der Betroffene an die Ordner vor Ort wenden, die dann mit dem Unruhestifter reden. Außerdem hat jeder Teilnehmer eine Nummer am Gürtel, über die er auch im Nachhinein identifiziert werden könnte. In Aitrang kommt dazu: Das Treiben findet ausschließlich in einem abgesperrten Bereich statt.

    Hailand ist seit acht Jahren selber als „Kloas“ unterwegs, Mayr seit zehn Jahren. Dass es tatsächlich eine Anzeige gab, haben die beiden erst einmal erlebt und die konnte gütlich aus der Welt geschafft werden. Auch ein Sprecher der Polizei sagt: „Eine Recherche in der Vergangenheit ergab keine Auffälligkeiten an den Abenden des Klausentreibens.“ Zwar gebe es im Zusammenhang mit den Treiben im Allgäu immer wieder Anzeigen, in der Regel wegen Körperverletzung, allerdings nicht wesentlich mehr oder weniger als an anderen Tagen auch.

    Du willst die Klausen sehen? Hier ein paar spannende Termine!

    Weitere Termine:

    05.12. 19.00 Uhr Klausentreiben in Börwang

    05. + 06.12. 19.00 Uhr Klausentreiben in Bad Hindelang

    05. + 06.12. 19.30 Uhr Klausentreiben in Sonthofen

    05. + 06.12. 19.00 Uhr Klausentreiben in Immenstadt

    06.12. 19.00 Uhr Klausentreiben in Oberstdorf

    Hailand und Mayer sind der Meinung: Wer zum Klausentreiben kommt, weiß, worauf er sich einlässt. Und Rücksicht werde dennoch genommen. „Wenn ich sehe, dass ein Kind weint gehe ich hin, schüttle ihm die Hand und zeige ihm, das alles gut ist“, sagt Mayr. „Es gab auch schon Veranstaltungen, da war ich die meiste Zeit nur damit beschäftigt, für Fotos zu posieren. Und das ist auch ok, das zeigt, dass es den Leuten gefällt.“ Wenn ein Verein hinter der Organisation des Treibens stehe, hielten sich die Probleme ohnehin in Grenzen – eben weil es Ordner und Nummern gibt, sagen die Organisatoren. Wo aber Kleingruppen selbstständig losziehen, oft in Kombination mit viel Alkohol, könne es schwierig werden. In Aitrang jedenfalls bekommen die etwa 30 Klausen, die auch heuer wieder unterwegs sein werden, vorab eine Einweisung.

    BHU! Ganz schön gruselig, beim Klausentreiben.
    BHU! Ganz schön gruselig, beim Klausentreiben. Foto: Ralf Lienert

    Wer dabei sein, aber den Klausen nicht zu nahe kommen will, dem raten Heiland und Mayr sich in der Menge zu verstecken. Denn mit den schweren Kostümen und dem durch die Masken beengten Sichtfeld finden sich die Klausen dort nur schwer zurecht. Außerdem: Auch beten bewahrt vor Hieben mit der Rute – zumindest theoretisch. Dabei haben die langjährigen Klausen schon die wildesten Verhandlungen angehört. Etwa junge Mädchen, die anbieten ein Lied zu trällern, um der Strafe zu entgehen. „Da kommt es dann auch mal vor, dass wir ein Alle-meine-Entchen zu hören bekommen“, sagt Hailand und schmunzelt.

    Für den richtigen Grusel am Klausenabend sorgen vor allem die Kostüme. Zum Häs der Klausen gehören in Aitrang eine Hose mit Fell, ein Fellüberwurf, Glocken, eine Weidenrute – und natürlich die Maske. Etwa 15 Arbeitsstunden braucht es, bis ein Kostüm fertig ist, allein fünf davon fallen auf die Maske. Als Basis dient dazu meist ein Motorradhelm, auf den hinten Fell geklebt wird. Vorn modellieren die Klausen dann mit Hasendraht das Grundgerüst, danach folgen jede Menge Pappmasche und die Hörner. Damit das alles klappt, hilft man sich in Aitrang gegenseitig: Der Raumausstatter packt beim Nähen mit an und der Metzger beschafft den Klausen oft die Rinderhörner.

    Aber auch andere helfen, damit das Klausentreiben ein schönes Spektakel wird. Beispielsweise kommt der Strom für die Verkaufsbuden von den Anwohnern. „Es geht eben nicht nur um Brauchtum, sondern auch um Gemeinschaft“, sagt Hailand.

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