Selten begeistern sich Kinder so sehr für ein historisches Bauwerk wie am St.-Mang-Platz in Kempten. "Guck mal Papa, ein Einhorn!!!" Stürmisch laufen die Kids auf das bronzene Fabelwesen zu, nehmen stolz darauf Platz - und lassen sich mit ihm fotografieren. Auch Erwachsene wurden schon beim Selfie-Machen gesichtet...

Dank Einhorn-Trend ist der Jugendstil-Brunnen seit geraumer Zeit ein echter Renner unter den Sehenswürdigkeiten in Deutschlands ältester Stadt. Dabei ist der Brunnen schon über 100 Jahre alt.
Der Münchner Bildhauer Georg Wrba erschuf ihn 1905. Im Mittelpunkt des Brunnens steht freilich nicht das Einhorn, sondern St. Magnus, der auch als "Apostel des Allgäus" bezeichnet wird. In einer Hand hält er ein Kruzifix, die andere ist im Segensgestus gehoben.
Um das Brunnenbecken sind Bronzeplastiken von Tieren mit Reitern postiert. Neben Hirsch, Hirschkuh und Steinbock sticht das Einhorn hervor, das als edelstes alls Fabeltiere gilt. Auf den Tieren sitzen Knaben und Faune. Sie verkörpern die vier Elemente (Feuer, Wasser, Luft und Erde), Symbole göttlicher Kraft und Gnade.

Doch warum wohl wählte der Bildhauer das Einhorn als Motiv? Möglicherweise ließ er sich dabei von anderen Künstlern inspirieren. Zum Beispiel von den Gemälden des Hieronymus Bosch oder Lucas Cranach, die im Einhorn ein Tier des Paradieses sahen.
Auch in der Luther-Bibel tauchten Einhörner eine lange Zeit auf. Doch dabei handelte es sich um einen Übersetzungsfehler, den 1779 Heinrich Sander aufdeckte. Unter dem hebräischen Re'em war nach heute verbreiteter Vermutung vielmehr der Wildstier oder Auerochse gemeint - keinesfalls jedoch ein Einhorn.
Das dürfte ein gebilderter Mann wie Georg Wrba im Jahre 1905 gewusst haben. Dennoch faszinierte ihn offenbar das Einhorn. Genau wie so viele Besucher heute.
Wer gar nicht genug vom Fabelwesen bekommen kann, der stößt in der Nähe des St. Mang-Brunnens übrigens auf ein weiteres Exemplar: Es ist plüschig und hängt im Cafe Sissi...