Der Wolf geht um auf den Alpweiden im Allgäu. Und er macht Angst. „Ein Landwirt hat schon seine acht Jungrinder abgezogen“, bestätigt Michael Honisch, Geschäftsführer des Alpwirtschaftlichen Vereins. Auch der Eggenthaler Landwirt Manfred Ferling möchte nächstes Jahr seine Jungtiere nicht mehr zur Sommerfrische ins Oberallgäu bringen: Innerhalb weniger Wochen seien zwei seiner Tiere an der gleichen Stelle bei Bad Hindelang nachts in den Abgrund gehetzt worden. Er vermutet von einem oder gar mehreren Wölfen. Die Bestätigung des Verdachts steht jedoch noch aus.

Vom zweiten Vorfall vor wenigen Tagen sind von einem Wolfsberater Kot- und Fellproben von einem Stacheldrahtzaun mitgenommen und ans Landesamt für Umwelt geschickt worden. Die Analyse „dauert aber noch ein bis zwei Wochen. Wir schicken die Proben an ein Speziallabor“, sagt ein Sprecher des Amts in Augsburg. Was auch immer diese Untersuchung hervorbringt: „Bei Älplern und Bauern gibt es derzeit fast nur noch ein Thema: den Wolf“, sagt dazu Honisch.
Bei Älplern und Bauern gibt es derzeit fast nur noch ein Thema: den Wolf.Michael Honisch, Geschäftsführer des Alpwirtschaftlichen Vereins
Wer schützt das Vieh?
„Ein gesundes Tier zum Sterben an den Berg zu bringen, das geht gar nicht“, drückt Ferling seine aktuelle Sorge vor umherstreifenden Wölfen drastisch aus. Beim ersten Vorkommnis vor sechs Wochen habe er das schwer verletzte Tier in eine Klinik nach Babenhausen gebracht. Zwei Tage kümmerte er sich um das Jungrind, das dann doch eingeschläfert werden musste. Ferling ist Bio-Bauer, züchtet und hält das seltene Original Allgäuer Braunvieh. „Es gibt nur noch 500 Exemplare, es ist eine bedrohte Art.“ Im Gegensatz dazu seien mittlerweile aber wieder über 1.000 Wölfe in Deutschland heimisch, sagt der 50-Jährige. Der Ostallgäuer fragt: „Wer schützt unser rar gewordenes Vieh?“
„Wir halten das Problem nicht für beherrschbar, wenn sich der Wolf hier ansiedelt“, sagt dazu Honisch. Ein Herdenschutz durch Einzäunen sei „im Berggebiet nicht realisierbar – und auch nicht effektiv“. Honisch verweist auf Studien aus Frankreich. „95 Prozent aller Schafe werden dort in einem geschützten Bereich gerissen.“ Das seien eindeutige Zahlen. „Man kann nicht davon ausgehen, dass ein Elektrozaun Wunder bewirken könnte.“ Sein Fazit: „Alpwirtschaft und der Wolf, das passt nicht zusammen.“
Wir halten das Problem nicht für beherrschbar, wenn sich der Wolf hier ansiedelt.Michael Honisch
Bauer Ferling hält 35 Stück Braunvieh, Weidehaltung ist laut Bio-Vorgaben Pflicht für alle Tiere über drei Monate, die Alpwirtschaft für ihn deshalb erste Wahl. Bis vor Kurzem. „Ich werde mich um Pachtflächen bemühen, damit ich meine Tiere künftig den Sommer über im Tal weiden kann.“ Von seinen 14 ins Ostrachtal gebrachten Tieren kommen nur noch zwölf zurück in den Stall. Weitere Acht weiden in Gunzesried, noch einmal zwölf sind in Oberstdorf. Ferling spricht von einer „Risikoaufteilung“, denn schon im vergangenen Jahr habe er aus „unerklärlichen Gründen“ ein Tier verloren.
Der Fuchs im Wolfspelz?
Auch Hermann Tauscher aus Tiefenbach (Oberstdorf) ging es so. Eines seiner Tiere sei vergangenes Jahr bei der Alpe Galtöde „verschwunden“. Vor etlichen Wochen lag auf der Weide bei Birgsau eines seiner Kälber (er hält Mutterkühe) morgens tot auf der Weide: „Die Innereien waren draußen und beide Schlegel weg.“ Ein Vertreter des Landratsamts habe behauptet, es sei der Fuchs gewesen, denn ein Wolf gehe nur an die Kehle eines Tieres. Tauscher hält diese Einschätzung für „Unsinn“. Ein Fuchs könne über Nacht nicht zwölf Kilo Fleisch und Innereien eines Kalbs fressen. „Der nimmt nur kleine Bissen.“
Er hat den Eindruck, nicht für voll genommen zu werden von den Behörden. Es seien auch keine DNA-Proben genommen worden. Es gebe ein Problem mit Wölfen, das müsse an die Öffentlichkeit, „darf nicht totgeschwiegen werden“, bekräftigt auch Bauer Ferling.