Zwei Dinge begleiten Rohrbach schon ihr Leben lang: Freiheitsdrang und Liebe zur Natur. Beides lässt sie immer wieder Grenzerfahrungen machen. Die gebürtige Bischofswerderin studierte in der DDR Biologie und stellte während dieser Zeit mehrere Forschungsanträge in fremde Länder, die alle abgelehnt wurden. Der Ärger darüber war groß. Dazu kam das Gefühl, in einem Land eingesperrt zu sein, dessen Politik sie ablehnte. Sie ergriff die Flucht in den Westen. Zwei Tage schwamm sie mit einem Freund durch die Ostsee. Sie war am Ende ihrer Kräfte. Eine Boje rettete ihr das Leben. Doch der Fluchtversuch war umsonst: Ein DDR-Kriegsschiff griff Rohrbach auf und brachte sie zurück. Es folgten zwei Jahre in Dunkelhaft, dann der Freikauf und die Ausweisung. Erst damit begann für Rohrbach das Leben, das sie sich erträumt hatte.
Minus 48 Grad
Doch über all das verlor die Buchautorin und Dokumentarfilmerin kein Wort bei ihrem Vortrag in der Schwabmünchner Buchhandlung. Stattdessen erzählte sie in Wort und Bild von ihrer Reise nach Kanada, wo sie vier Monate allein in einer Holzhütte in den Rocky Mountains verbrachte – bei bis zu minus 48 Grad ohne Strom, Internet oder fließend Wasser. Warum sie das gemacht hat? „Diese Situation habe ich mir schon immer vorgestellt. Ich wollte sie einfach erleben“, erzählte Rohrbach. „Ich liebe Berge, Urwälder, die unberührte Natur, in der der Mensch unwichtig ist. Ich will die harte Natur für mich haben. Dort weitet sich mein Herz, dort schärfen sich meine Sinne.“
Ein Kleinflugzeug setzte sie im Winter in der Einsamkeit ab. Im Gepäck hatte sie nicht viel mehr als ein paar Kleidungsstücke, einen Schlafsack, ihr Tagebuch und eine Kamera. Die Lebensmittel mussten für vier Monate reichen, Holz zum Heizen war genügend da. Ein alter Ofen, ein Tisch, eine harte Pritsche – mehr gab es nicht. „Ich hatte nur ein Buch dabei, um mich nicht zu sehr von der Natur, der Realität um mich herum abzulenken“, sagte die Reisejournalistin. Jeden Tag unternahm sie bei Eiseskälte im Freien Wanderungen und tat dabei, was sie am liebsten tut: beobachten. Sie sah Elche, Füchse, Wölfe und Weißkopf-Seeadler. „Ich fühlte mich vom ersten Tag an in meiner selbst gewählten Welt wohl, war nie einsam, nie gelangweilt, immer begeistert“, erzählte Rohrbach. Ich hatte das Gefühl, ein Teil der Natur zu sein. Angst hatte ich nie.“
Doch bevor die 71-Jährige sich in solch abenteuerliche Reisen stürzt, bereitet sie sich intensiv vor und plant alle Eventualitäten. So hatte sie in den kanadischen Wäldern immer ein Bärenspray bei sich. Doch gefährliche Situationen erlebte Rohrbach nicht. Nach vier Monaten in der Wildnis fiel es ihr schwer, Abschied zu nehmen. Inzwischen plant sie ihre nächste Reise: „Es soll 2021 nach Kasachstan gehen, auf der Suche nach Steinböcken.“
Reinhold Radloff