Vor 80 Jahren wurden die KZ-Außenlager Kaufering von der US-Armee befreit. Im ehemaligen Lager VII zwischen Erpfting und Landsberg fand eine große Befreiungsfeier dazu statt, zu der auch Vertreter der US-Armee sowie Angehörige der Opfer gekommen waren.
Blauer Himmel, Vogelgezwitscher, wie tausend kleine Sonnen leuchten die gelben Löwenzahnblüten aus den frisch-grünen Wiesen. Größer könnte der Kontrast nicht sein zum Anblick der einzig erhaltenen Tonröhrenbauten im Lager VII, in dem im September 1944 die ersten Häftlinge eintrafen. 2000 Männer und 272 Frauen mussten in den 55 Erdhütten und sechs Tonröhrenbunkern vegetieren. Vernichtung durch Arbeit war das Programm in allen 13 Außenlagern.
Im Wald zwischen Landsberg und Erpfting sind Polizei und Personenschützer im Einsatz
Erstmals hatte die Europäische Holocaustgedenkstätte Stiftung zu einer großen Befreiungsfeier geladen. Polizei und Personenschützer waren im Einsatz, Filmteams und viele Fotografen hielten die bewegenden Augenblicke in Bild und Ton fest. Angehörige der Opfer waren gekommen, ebenso eine Fahnenabordnung und Repräsentanten der US-Armee, darunter Colonel Christopher J. Kirkpatrick. Vor Ort war auch Talya Lador-Fresher, Generalkonsulin des Staates Israel für Süddeutschland, Landsbergs Zweiter Bürgermeister Moritz Hartmann, die Bürgermeister von Kaufering und Igling, Thomas Salzberger und Günter Först, zahlreiche Vertreter von Kirchen, Schulen und Gemeinden sowie der Stiftung Bayerische Gedenkstätten.

Der einsame Klang einer Bratsche wehte über das Gelände. Ein klagender Gesang setzte dazu ein, ein vertontes Kauferinger Gedicht, das Laszlo Salomon, Journalist und Dichter aus Transsilvanien und KZ-Häftling, geschrieben hatte. Das Leid der Inhaftierten hatte Komponistin Danielle Lurie in Musik gegossen. Interpretiert wurde sie von den Musikern Kairi Fuse (Bratsche), Luka Gantar (Klarinette), Jovan Tomic (Akkordeon) und Tasuki Sakamoto (Gesang), wie Lurie an der Hochschule für Musik und Theater in München. Und vielleicht ist es gerade die Musik, die mehr als alle Worte eine Brücke schlagen kann, in die Vergangenheit und vor dem Vergessen bewahrt.
Gabriele Triebel, Präsidentin der Europäsischen Holocaust Gedenkstätte Stiftung, erinnerte an die Geschichte der Lager, in denen rund 23.000 vorwiegend jüdische Häftlinge interniert waren, und an die Befreiung durch die US-Armee. Die Stiftung wolle die Geschichte der Häftlinge wachhalten, so Triebel. Eigentlich sei es Aufgabe der Stadt Landsberg, des Landkreises oder des Staates gewesen, das Lager VII als Erinnerungsort zu erhalten. Tatsächlich habe jedoch der ehemalige jüdische Häftling Alexander Moksel Geld dafür gegeben. Seit 30 Jahren arbeite der Verein auf eine Weiterentwicklung der Gedenkstätte hin, damit Sanitäranlagen gebaut werden und eine Bildungsstätte entstehen könne, denn die Kraft, die Erinnerungsorten innewohne, sei groß, betonte Triebel.

Talya Lador-Fresher dankte der US-Armee „für ihr Kommen heute und 80 Jahre zuvor“ und erinnerte an die 6500 Menschen, die in den Lagern ihr Leben verloren. Weitere 2000 starben noch nach der Befreiung. „Der Holocaust ist Teil des kollektiven Gedächtnisses“, so die Generalkonsulin. Da der Antisemitismus weltweit explodiere, sei das Gedenken wichtig. Lador-Fresher hob die unterschiedliche Bedeutung von „Nie wieder“ hervor: Während in Deutschland darunter „nie wieder Krieg“ verstanden werde, wolle Israel nie wieder Opfer sein. Unter diesem Aspekt sei auch das Handeln Israels nach den Angriffen durch die Hamas zu sehen.
Der Landsberger Ludwig Hartmann, Vizepräsident des bayerischen Landtags, erinnerte sich in seiner Ansprache an seinen ersten Kontakt als Schüler mit Zeitzeugen und den Lagern. Da sei ihm die Verantwortung seiner Heimatstadt bewusst geworden sowie deren schöne, aber auch schreckliche Seite, so Hartmann. Mit Sorge betrachtet der Politiker die Entwicklung in der Gesellschaft, einen Schlussstrich unter die NS-Zeit ziehen zu wollen sowie die von rechten Kräften ausgehende Polarisierung. „Antisemitismus darf in unserem Land keine Toleranz erfahren“, betonte Hartmann. „Erinnerungsarbeit stärkt die Demokratie. Junge Menschen sind nicht verantwortlich für das, was war, sondern für das, was wird.“
„Die Gedenkarbeit hat nicht gereicht. Der Antisemitismus ist nicht besiegt“
Dr. Christoph Thonfeld, stellvertretender Leiter der Gedenkstätte Dachau, hob die Tonröhrenbauten des Lagers VII als Baudenkmäler von nationaler Bedeutung hervor. Dr. Florian Wenninger, Leiter des Instituts für Historische Sozialforschung in Wien, nahm zu aktuellen Entwicklungen Stellung. NS-Verbrechen würden historisiert, damit werde ihnen die Bedeutung für die Gegenwart abgesprochen. Er ging auf die Folgen von Aussagen wie der von Elon Musk ein, dass Deutschland einen zu großen Fokus auf Schuld lege, dass ein zivilisierter Umgang als Wokeness bezeichnet, Herzenswärme als Weichheit gegeißelt werden. Er wies auch auf die Gefahren durch die sozialen Medien hin; es gelte, dafür neue „Spielregeln“ festzusetzen. Sein Fazit angesichts der heutigen Entwicklung: „Die Gedenkarbeit hat nicht gereicht. Der Antisemitismus ist nicht besiegt.“

Mit einem Gang auf das historische Gelände, den die Fahnenabordnung der US Armee anführte, und einer Kranzniederlegung endete die Veranstaltung. Ihr war ein 1,5 stündiger Stadtrundgang entlang von Stationen aus dem neu erschienen Buch „Musik nach dem Todesmarsch“ der Journalistin Karla Schönebeck vorausgegangen, an dem auch Talya Lador-Fresher, Claudia Weisbrodt vom Kulturamt und Altbürgermeister Franz Xaver Rößle teilgenommen hatten. Dieser hatte am Hauptplatz begonnen, wo früher, als Landsberg Stadt der Jugend war, die Hitler-Gedächtnismärsche endeten, aber auch 1946 Bewohner der DP-Lager gegen die Briten und ihre Mandatspolitik protestierten. Entlang der Katharinenstraße, in der NS-Zeit nach Adolf Hitler benannt, ging es bis zum Kratzerkeller, wo im Beisein von Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl die Flagge Israels entrollt wurde.
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