Vergessen Sie Franz, Gitta und Gustav Gans aus Entenhausen. Denn es gibt eine Gans aus dem Unterallgäu, die es zu beinahe ebenso großer Berühmtheit gebracht hat wie die drei Comicfiguren: Gans Elisabeth aus Dirlewang. Dank dem Musikverein und dem damaligen VW-Club Dirlewang schaffte sie es bundesweit in die Schlagzeilen – und könnte vielleicht sogar ein Fall fürs Dirlewanger Heimatmuseum werden.

Auf den Tag genau vor 50 Jahren ist in der Mindelheimer Zeitung der Artikel „Ständchen für schnatternden Liebling“ erschienen: Auf Initiative von Posaunist Josef Zink war am 29. Mai 1975 der Musikverein – dem Vernehmen nach im Gänsemarsch – auf den Hof von Elisabeths Besitzer Peter Gingele gekommen, um dem außergewöhnlichen Tier zu seinem 25. Geburtstag ein Ständchen zu spielen. Ob das für Elisabeth ein echter Gänsehautmoment war, ist leider nicht überliefert. Im damaligen MZ-Artikel steht jedoch: „Gravitätisch, als sei sie sich ihrer Würde bewußt, schritt sie die Reihen der Musiker wie bei einer Parade ab.“
Gans Elisabeth war in ganz Dirlewang bekannt
Unter den „Gratulanten“ war damals auch Werner Gingele, der Neffe des inzwischen verstorbenen Peter Gingele. „Das war schon ein Ereignis damals“, erinnert er sich schmunzelnd. Und seine Frau Claudia fügt an: „Es spricht ja für die Dirlewanger Blasmusik, dass die Gans nicht abgehaut ist.“

Die war im ganzen Dorf bekannt: Sie begleitete Peter Gingele zum Einkaufen und watschelte hinter ihm her, wenn er die Milch seiner wenigen Kühe in der Käserei abgeliefert hatte. „Eifrig schaute sie dabei auch nach Bekannten aus und erkannte alle, die ihr einmal einen Futterbrocken gegeben hatten“, heißt es im damaligen MZ-Bericht und weiter: „Ist Essenszeit, wetzt das Tier, welches das Wort von der ‚dummen Gans‘ Lügen straft, an der Tür den Schnabel, begehrt Einlaß und nimmt auf seine Art am Mahl teil. Kein Wunder, daß Elisabeth zum erklärten Liebling des Mindelmarktes wurde und sie von jung und alt verhätschelt wird.“
Eine Todesanzeige erinnerte an Gans Elisabeth aus Dirlewang
Fast an ein Wunder grenzte es damals dagegen, dass Elisabeth überhaupt so alt geworden war. Schließlich sollte sie ursprünglich wohl eher einen festlichen Braten abgeben. Weil sie sich jedoch schnell zur treuen Begleiterin entwickelte und außerdem eine hervorragende Brutgans war, brachte es ihr tierlieber Besitzer wohl einfach nicht übers Herz, ihr den Hals umzudrehen, vermutet sein Neffe. Dass er an ihr hing, könnte laut Claudia Gingele außerdem auch mit Elisabeths „Namenspatin“ zu tun haben: einer Krankenschwester, die Peter Gingele im Zweiten Weltkrieg im Lazarett kennengelernt hatte, nachdem ihm ein Bein amputiert worden war.

Bereits 1971 hatte die Neue Post aus Berlin über die Dirlewanger Gans geschrieben und dafür gesorgt, dass sich Tierfreunde aus ganz Deutschland bei Peter Gingele meldeten. Noch größer war das mediale Interesse aber, als Elisabeth im Januar 1979 starb. Ohne ihr zu nahe treten zu wollen, lag das aber wohl weniger an ihrem gewiss für viele traurigen Ableben, sondern eher an der Anzeige, die Josef Zink und der damalige VW-Club Dirlewang „in bester Erinnerung“ in der MZ geschaltet hatten: „Die Gans Elisabeth (Besitzer Peter Gingele) ist am 29. Januar 1979, um 9 Uhr vormittags, in die ewigen Jagdgründe eingegangen. Sie erreichte ein Alter von fast 29 Jahren“, stand unter anderem darin.
„Deutschlands seltsamste Todesanzeige stand in der Mindelheimer Zeitung“
Die MZ würdigte die ungewöhnliche Todesanzeige mit einem Artikel in ihrem überregionalen Teil und im Lokalteil: „Ausgeschnattert. Gans Elisabeth starb einen natürlichen Tod“ und „Elisabeth schnattert nicht mehr“, war damals zu lesen, auch die Bild-Zeitung und die Münchner Abendzeitung griffen die Anzeige auf.

„Todesanzeige für eine Gans“ titelte die Bild-Zeitung und schrieb: „Deutschlands seltsamste Todesanzeige stand gestern in der „Mindelheimer Zeitung“. Der Nachruf galt einer Gans!“ 80 Mark habe der VW-Club dafür gezahlt und auch Peter Gingele wird zitiert: „Wenn Besuch kam, mußte ich Elisabeth einsperren. Sie griff doch jeden an, der durchs Gartentor kam“, soll er damals gesagt haben.

Werner und Claudia Gingele bezweifeln zwar stark, dass der Onkel je mit einem Bild-Reporter gesprochen hat, inhaltlich sei die Aussage aber nicht ganz von der Hand zu weisen: Elisabeth übernahm auf dem heimischen Hof die Rolle des Wachhunds wohl recht gewissenhaft. Das belegt auch das Gemeindeblatt. Darin wurde vermerkt: „Auch die Gemeinde ehrte mit einem Palmenstrauß, überbracht durch die Gemeindedienerin, den schnatternden, nunmehr verstummten Wachhund.“

„Gans ganz tot“, lautete die Überschrift in der Münchner Abendzeitung, die Elisabeth auch gleich zur bis dahin ältesten Gans Deutschlands erklärte. Ob sie das wirklich war, lässt sich heute nicht mehr klären. Fakt ist aber: Elisabeth und die Artikel über sie sind Teil der Dirlewanger Ortsgeschichte – und könnten eines Tages vielleicht auch im Dirlewanger Heimatmuseum zu sehen sein.
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