Michaela Fichtl will keine Horrorgeschichten erzählen. Doch sie erzählt sie trotzdem. Nicht, um zu schockieren, sondern weil sie verhindern will, dass sich Fälle wie dieser wiederholen. Denn sie will künftig keine halbierten Hunde mehr von Straßen oder Bahngleisen aufsammeln müssen.
Sina war ein English Pointer, vier Jahre alt. Ende Mai wurde sie aus dem Tierschutz an eine ältere Frau in Buchloe vermittelt. Nur wenige Tage später, am Sonntag, 1. Juni, begann das Drama. Auf dem Weg vom Haus zum Auto nutzte die unsichere Hündin einen unaufmerksamen Moment und büchste aus.
Suchtrupp geht strategisch bei der Hundesuche vor
Das ehrenamtliche Suchteam „Hund entlaufen Heidenheim“, das in der Region Allgäu-Oberbayern aktiv ist, wurde sofort kontaktiert. Michaela Fichtl aus Hohenfurch und Lea Kronmüller aus Schwabniederhofen kümmern sich im Umkreis von rund 50 Kilometern um entlaufene Hunde. Auch im Fall von Sina rückten sie sofort aus.
„Wir haben Futterstellen und Kameras aufgebaut. Normalerweise kehren die Hunde zurück, wenn man sie lässt“, erklärt Fichtl. Nimmt der Hund das Futter an, folgen Lebendfallen, die in enger Absprache mit Polizei, Jägern und Grundstücksbesitzern aufgestellt werden. Die Überwachung erfolgt per Livekamera, sogar nachts – und im Notfall kann eine Falle per SMS deaktiviert werden, etwa wenn eine Katze hineingerät.

Parallel dazu erstellen die Helferinnen Flyer und informieren über soziale Medien. Doch genau diese Öffentlichkeitsarbeit wird ihnen immer wieder zum Verhängnis. Gut gemeinte Hilfe aus der Bevölkerung behindert die professionellen Abläufe. So auch bei Sina. Die Hündin legte eine beachtliche Strecke zurück – über Dillishausen und Kleinkitzighofen bis nach Igling. Für die Expertinnen ein gutes Zeichen: „Die machen meistens einen Kreis, wie groß der ist, ist unterschiedlich.“ Sina schien sich also auf dem Heimweg nach Buchloe zu befinden.
Doch dann griffen Menschen ein. In der Nähe der Diskothek Sommerkeller versuchten sie, die Hündin mit Autos einzukesseln. Fichtl warnte: „Hört auf, ihr treibt sie direkt auf die Gleise.“ Gegen halb zwei in der Nacht dann die nächste Nachricht: ein weiterer Einfangversuch bei Igling. Auch diesmal flehte Fichtl, es zu unterlassen. Ihre Anrufe blieben unbeantwortet. Am Morgen kam der Anruf der Bundespolizei. Sina war auf den Gleisen westlich des Iglinger Schlosses von einem Zug erfasst worden – nur die halbe Hündin konnte geborgen werden.
Hündin Sina aus Buchloe ist keineswegs ein Einzelfall
Ein Einzelfall? Keineswegs. Vor einem halben Jahr starb in Peiting ein weißer Schäferhund unter ähnlichen Umständen. Auch damals ignorierten Menschen die Warnungen des Suchteams. „Sie haben nicht auf mich gehört – der Hund lag tot auf den Schienen“, berichtet Fichtl sichtlich betroffen.
Ihre Botschaft ist klar: „Man darf einen mobilen Hund nicht aktiv suchen. Er befindet sich im Ausnahmezustand und wird durch Rufen, Verfolgen oder gar Hinterherfahren nur weiter vertrieben.“ Selbst Suchhunde, Drohnen oder Wärmebildkameras seien kontraproduktiv. Nach 24 Stunden erkenne der Hund oft nicht einmal sein eigenes Herrchen wieder. Im Fall von Sina wäre die Rettung durchaus möglich gewesen. „95 von 100 Tieren können wir einfangen – wenn man uns machen lässt“, sagt Fichtl. Der Hund könnte noch leben.

Besonders oft betroffen sind ehemalige Straßenhunde. „Die muss man von der Straße verscheuchen – aber nicht versuchen einzufangen“, betont Fichtl. Viele unterschätzen, wie fluchtbereit solche Tiere bleiben, auch wenn sie scheinbar zahm wirken. „Der wird die kleinste Lücke finden und weg sein.“
Auch bei der Vermittlung sieht Fichtl Handlungsbedarf. Ein sportlicher Jagdhund wie Sina passe schlicht nicht zu einer älteren Person. Und selbst die Sicherheitsleine, die am Körper des Besitzers befestigt wird, half in diesem Fall nicht. Sina hatte zwei Jahre ihres Lebens auf der Straße verbracht. „Wir wissen selbst, wie schwer es ist, alte Gewohnheiten zu ändern“, sagt Fichtl. Sie rät: mindestens ein halbes bis ein ganzes Jahr lang besondere Vorsicht – mit Sicherungsleine, Ruhe und professioneller Begleitung.
Wer Hilfe benötigt, kann sich an das Team Allgäu-Oberbayern unter den Mobilnummern 0151/20732227 oder 0172/8567014 wenden.

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