Er sei Hobby-Afghane mit einem Bart so üppig wie die Vorurteile seiner Zuhörer und Augen so braun wie deren Vergangenheit. Im Spiel mit rassistischen Klischees kennt sich der in Kabul geborene und in Krefeld aufgewachsene Rapper, Kabarettist und Poetry Slammer Sulaiman Masomi bestens aus. Seine politischen Botschaften und der teils schwarze Humor gepaart mit einer satirischen Wortjonglage lassen die Texte des studierten Literaturwissenschaftlers zu etwas Außergewöhnlichem werden. In der voll besetzten Aula des Gymnasiums Buchloe präsentierte er im Rahmen des Allgäuer Literaturfestivals sein Soloprogramm „Morgen-Land“.
Zu Beginn, nach einer kurzen Impro-Vorstellung der Schultheatergruppe, zeigte sich Masomi enttäuscht. Enttäuscht von der Evolution, die den Menschen vom Einzeller vor 3,5 Milliarden Jahren nun an die Krone der Schöpfung stellte. Aber mit dem mächtigsten Lebewesen dieser Erde – Donald Trump – schließe sich der Kreislauf zum Einzeller wieder. Denn wenn ein Volk eine „Orange“ zum Präsidenten wähle, die Angst vor der Presse habe, dann kenne Dummheit keine Grenzen.
Die Mächtigen dieser Erde hätten gelernt, Angst als Waffe zu verwenden und Menschen damit zu manipulieren. „Die größte Angst des Menschen ist es, seiner Freiheit beraubt zu werden“, sagte Masomi. In Deutschland habe es die AfD verstanden, mit rassistischen Ressentiments nicht mehr nur eine Protestwählerschaft anzusprechen, sondern mittlerweile eine Ideologie zu verbreiten.
Dazu passte Masomis Geschichte „Früher war alles besser“. Er erzählte, wie Polizisten am Kölner Hauptbahnhof nicht wie erwartet ihn, den gebürtigen Afghanen, einer allgemeinen Personenkontrolle unterziehen wollten, sondern einen blonden, blauäugigen Deutschen aus der Menge fischten. „Das ist unsere Legitimationskontrolle“, klärte ihn der Polizist auf, worauf Masomi spontan Eifersucht empfand. Denn jeder zehnte Kontrollierte solle ein Deutscher sein. „Stereotype sind sehr gefährlich“, warnte Masomi, könnten sie doch gepaart mit der Macht des Kapitals schnell zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Ein Beispiel schob Masomi gleich hinterher – denn der Spruch „einen polnischen Abgang machen“ gehört inzwischen zum Szenejargon vieler Jugendlicher. Dies bedeute, sich auf einer Party ohne zu bedanken und zu verabschieden, wortwörtlich „davon zu stehlen“.
Damit aber alle Nationen ihr Fett abbekommen, trug der Poetry Slammer eine Liste an Verhaltensweisen für alle Nationen vor, beispielsweise „einen Russischen machen“ („Du kommst auf die Party, trinkst alle Getränke und haust dann allen auf die Fresse“), „einen Mexikanischen machen“ („Du kletterst über den Gartenzaun, weil du nicht zur Party eingeladen bist“) oder „einen Deutschen machen“ („Du verabschiedest alle persönlich per Handschlag und rufst pünktlich um 22 Uhr die Polizei an, da deine Nachbarn sich von der Ruhe gestört fühlen könnten“).
Den Höhepunkt im ersten Teil markierte Reinhard Meys Lied „Über den Wolken“, das Masomi zu „Unter der Burka“ umdichtete.
Nach der Pause widmete sich der 39-jährige Literat schwerpunktmäßig den Texten seines Buches „Ein Kanake sieht rot“. Mit „Ich weiß es“ brachte er gar seinen gesamten Freundes- und Bekanntenkreis dazu, ihm alle Lügen zu beichten und Verheimlichungen zu gestehen. Ebenso durfte auch sein Siegertext „In diesem Raum ist eine Bombe“, mit dem er die 17. deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften gewann, nicht fehlen.
Nach dem Liebesgedicht „Sag mir Bescheid, wenn du mich liebst“ schloss Masomi die Klammer mit seiner Geschichte über den „Rat der Sprache“ und dessen Auseinandersetzungen mit dem zu befürchtenden Tod des Genitivs. Spätestens jetzt dürfte den Zuhörern klar geworden sein, warum er vom Goethe-Institut gleichsam als kultureller Botschafter für Deutschland um die Welt geschickt wurde. Denn der Wandel der Sprache begann mit dem ersten Menschen und wird, so Masomi, „mit dem letzten Menschen auf dieser Erde enden“.
Einen Gedankenanstoß gab er seinem Publikum am Ende eines Poetry-Slam-Abends der Spitzenklasse ebenfalls noch mit auf den Heimweg: Man solle die momentan seltsamen Zeiten als Chance begreifen, um politisch aktiv zu werden. „Denn nun können wir die Dinge, die auch vorher schon im Argen lagen, endlich korrigieren.“