Erneut keine Entscheidung fassten die Mitglieder der Gemeinschaftsversammlung der Verwaltungsgemeinschaft Türkheim (VG) mit dem VG-Gemeinden Amberg, Wiedergeltingen, Rammingen und Türkheim, über den Beitritt zur kommunalen Energieverwertung gKU in Buchloe. Im Vorfeld hatte es zwar viele Vorgespräche gegeben, und Wiedergeltingens Bürgermeister Norbert Führer hatte sogar einen Fragenkatalog erarbeitet. Im Laufe der Diskussion sahen die Räte widersprüchliche Informationen vonseiten der Betreiber. Ein Ausschuss soll die ungeklärten Fragen auflisten und der Gemeinschaftsvorsitzende, Türkheims Bürgermeister Christian Kähler, soll für Klarheit sorgen. Ein Beitritt scheint damit nicht nur in weite Ferne zu rücken - die Mehrheit der Räte scheint inzwischen sogar der Meinung zu sein, ganz aus dem Projekt auszusteigen, zumal es mittlerweile auch von privater Seite Vorschläge für eine preiswerte und langfristige Beseitigung des Klärschlammes gibt.
Kommunale Energieverwertung: Phosphorwiedergewinnung aus Klärschlamm
Auf der Tagesordnung der Gemeinschaftsversammlung der Verwaltungsgemeinschaft Türkheim stand erneut „Kommunale Energieverwertung Schwaben-Behandlung der Fragenkataloge der Gemeinde Wiedergeltingen und der Kämmerei“. Im vergangenen Dezember war eine Sitzung abgebrochen worden. Am Ende sollte über eine Erhöhung der Kostenbeteiligung und Einlage in das Unternehmen abgestimmt werden. Dazu sollte es aber auch diese Woche nicht kommen.
Hinter der „Kommunalen Energieverwertung“ steht die Idee, die Entsorgung der Klärschlämme aus den Kläranlagen selbst in die Hand zu nehmen und lange Wege zu vermeiden. Vorläufer war die Naturenergie Buchloe GmbH. Projektleiter des Klärschlamm-Upcyclings Richard Dauberschmidt warb bei verschiedenen Veranstaltungen seines Unternehmens für das Projekt. Das Unternehmen entwickelte die Phosphorwiedergewinnung aus Klärschlamm für die Kommunen der Region. Schon die bewährte Idee der Genossenschaften zeige, dass man Probleme gemeinsam besser lösen könne, so Dauberschmidt. Der Experte für Entsorgung und Recycling treibt das Projekt seit Januar 2024 bei der Naturenergie Buchloe GmbH voran. Er führte aus: „Aus etlichen Branchen weiß ich: Kreislaufwirtschaft funktioniert einwandfrei, wenn man sich entschlossen dafür einsetzt. So kann Abfall wieder zu einem Wertstoff werden. Es sei überfällig, dies nun auch mit Klärschlamm umzusetzen.“
Widersprüchliche Aussagen über die Kosten
Für Verwirrung sorgten nun bei den Räten der VG die widersprechenden Aussagen über die Kosten. Bei den ersten Besprechungen war man von einer Kostenbeteiligung und Anschubfinanzierung pro Mitglied von rund 135.000 Euro ausgegangen. Bei entsprechenden Mitgliederzahlen wurde sogar eine Reduzierung dieses Betrages in den Raum gestellt. Außerdem seien die Verantwortlichen davon ausgegangen, dass die 4. Bundesimmissionsverordnung (BImSchV) anzuwenden sei, nun habe man erfahren, dass bei Klärschlamm, die 17. BImSchV zur Anwendung komme.
Jetzt liege man, so Kähler bei einer ersten Kostenbeteiligung von 361.00, unter anderem sei die Steigerung darauf zurück zu führen, dass man die GmbH in die Rechtsform eines kommunalen Unternehmens umwandeln wolle. Weiter seien die Preise für den Bau der Anlage und der benötigten Technik in den vergangenen drei Jahren stark gestiegen. Der Klärschlamm wird getrocknet und am Ende des Prozesses stehe ein Dünger, der in der Landwirtschaft verwendet werden kann.
Wiedergeltingens Bürgermeister Norbert Führer präsentiert eine kostengünstigere Lösung
Die Anlage sei für rund 14.000 Tonnen Klärschlamm pro Jahr konzipiert. Nach Recherchen von Führer habe man bisher Verträge für die Bearbeitung von 8000 Tonnen. Wenn man hier nicht kräftig aufstocke, könne man den avisierten Kostenbetrag von 130 Euro pro Tonne keinesfalls halten. Und Führer zauberte eine Zusicherung eines privaten Unternehmers aus dem Hut, der für zehn Jahre 130 Euro pro Tonne Klärschlamm bei der Beseitigung garantiere.
Als Kämmerer Claus-Dieter Hiemer alle Möglichkeiten für eine Haftung auf einer Folie an die Wand warf, kippte die Stimmung endgültig. Beding durch den Umstand, dass die Kommunen bei einem gemeinsamen Kommunalunternehmen (gKU) für möglich Ausfälle nach den Richtlinien der Gemeindeordnung voll haftbar sind - das bedeutet, dass die Gemeinden nicht nur Eigen-, sondern auch für Fremdkamptal haften - erhöhe sich das Risikokapital für die VG Türkheim. Im schlimmsten Fall könnte es die VG bis zu 800.000 Euro treffen.
Und Widersprüche entdeckten die Kommunalpolitiker auch bei den Angaben zu den Betriebskosten. Bei einer Verarbeitung von 14.000 Tonnen Klärschlamm müsste im 24-Stundenbetrieb gearbeitet werden. Also wären drei Mann vollbeschäftigt. Die angesetzten Arbeitslöhne würden gerade mal für zwei reichen.
Das führte dann zu drastischen Beurteilungen. Norbert Führer stellte fest, dass der gefasste Beitrittsbeschluss auf falschen Zahlen beruhe. „Für mich sind die Grenzen der Seriosität erreicht, wenn man das 2,7-fache zur Einlage abverlangen will“, stellte er fest. „Mein Vertrauen in die Vorstandschaft ist erschüttert“, sagte er weiter. Und schließlich müsse der Bürger diese Kostenexplosion über den Abwasserpreis mitfinanzieren
„Die Grenzen der Seriosität sind erreicht“
Türkheims dritte Bürgermeisterin Gudrun Kissinger-Schneider fand zwar insgesamt die Idee der regionalen Wertschöpfung als gut, meinte aber, die „Kalkulation müsse stimmen“. Rammingens Bürgermeister Anton Schwele sah sich bestätigt, er habe von Anfang an gezweifelt, ob dieser Wirtschaftsplan Bestand halten könne. Und Marktrat Marcus Jakwert (Türkheim) meinte, man spiele hier mit dem Geld der Steuerzahler. Und werde nur zustimmen, wenn er wisse, was auf die Gemeinden zukomme.
Was passiert bei einem Ausstieg mit den schon gesetzten 56.000 Euro, wurde gefragt. Kämmerer Hiemer ließ durchblicken, dass man diesen Betrag eventuell abschreiben müsse. Am Ende einigte sich die Gemeinschaftsversammlung, eine Entscheidung über einen Beitritt zu vertagen. Weiter wurde ein Ausschuss gegründet, der die noch offenen Fragen festhalten soll. Und der Vorsitzende, Christian Kähler, solle diese Fragen dann klären. Wobei sich das Gremium nicht unter Zeitdruck bei einer Entscheidung setzen lassen will. Die Gemeinschaftsversammlung wird sich also noch öfters mit diesem Thema beschäftigen.
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