Buchstäblich vor verschlossenen Türen stand der Schützenverein Wiedergeltingen, als die Traditionswirtschaft Ritter in der Dorfmitte urplötzlich dichtgemacht wurde(wir berichteten). Die langjährige Wirtin Monika Irashi hatte den Zapfhahn aus gesundheitlichen Gründen endgültig abdrehen müssen.
Für Wiedergeltingen bedeutet dies nicht nur den Verlust des letzten Dorfwirtshauses, sondern vor allem auch den Abschied von einem beliebten und traditionsreichen Treffpunkt für die Dorfbevölkerung: Dämmerschoppen, Vereinsversammlungen, Stammtische und die „Fröhliche Runde“, der regelmäßige Treff der Wiedergeltinger Senioren, stehen jetzt alle vor der Frage, wo sie sich künftig überhaupt noch treffen können. „Wir alle waren sehr überrascht, über die unverhoffte Einstellung des Gaststättenbetriebs. Das ist natürlich auch für Wiedergeltingen bitter, denn wir verlieren hiermit einen beliebten Treffpunkt für unsere Dorfbevölkerung“, bedauert auch Bürgermeister Norbert Führer das Aus der Dorfwirtschaft.
Noch härter erwischt es aber den Schützenverein 1883 Wiedergeltingen, der sich jetzt mittelfristig nach einer neuen sportlichen und gesellschaftlichen Heimat umsehen muss. Denn ein Schützenverein braucht vor allem Schießstände, bei Rundenwettkämpfen mindestens zehn Stück. Und so ein Schießstand braucht Platz – mindestens zehn bis 14 Meter allein in der Länge. Umkleiden und ein Vereinsraum sollten es dann auch noch sein. Gut 120 Aktive hat der insgesamt 180 Mitglieder zählende Traditionsverein. Zumindest die beiden nächsten Schießsaisonen sind für den Schützenverein 1883 Wiedergeltingen noch gesichert, der regelmäßig und erfolgreich an den Rundenwettkämpfen teilnimmt. Das wurde mit dem Hauseigentümer fest vereinbart.
Die Schützen hatten schon im Februar diesbezüglich bei Bürgermeister Führer und dem Gemeinderat angeklopft – dass es jetzt gleich so schnell gehen musste, war da freilich noch nicht absehbar. Der entsprechende „Hilferuf“ der Schützen blieb nicht ungehört – im Gegenteil: Schon wenige Tage nach Bekanntwerden der neuen Situation präsentierte der Gemeinderat dem Schützenverein gleich zwei mögliche und vor allem auf eine langfristige Nutzung ausgelegte Lösungsvorschläge: einen Ausbau des zweiten Obergeschosses im örtlichen Feuerwehrhaus oder den Umbau der Räume im Bauhof im Osterweg 18. Führer ist überzeugt, dass das Feuerwehrhaus „an sich ideal“ wäre, da bereits alle Anschlüsse für Heizung oder Sanitär vorhanden sind. Außerdem befinde sich im Obergeschoss ein gut 70 Quadratmeter großer Raum, der als Schützenstüberl, Umkleideraum oder Ähnliches ausgestaltet werden könnte. „Wiedergeltingen wäre damit nicht die erste Gemeinde im Umkreis, in der ein Schützenheim in einem Feuerwehrhaus untergebracht ist“, erklärte Führer. Außerdem sei das Feuerwehrhaus gerade erst gut 20 Jahre alt, ein entsprechender Ausbau könnte relativ schnell und unproblematisch vonstattengehen.
Vonseiten des Schützenvereins wurde dann noch eine weitere Möglichkeit angeregt: den Bauhof im Osterweg räumen und anderweitig unterbringen. Auch dies ist für Führer und die Gemeinderäte eine durchaus machbare Variante: „Wenn wir damit den Schützen künftig eine dauerhafte „neue Heimat“ bieten können, wird sich für die Verlagerung des Bauhofes sicherlich eine Lösung finden“, sagte Führer. Die Finanzierung könnte laut Bürgermeister in beiden Fällen wie folgt aussehen: erstens ein entsprechendes Maß an Eigenleistung sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in Form von freiwilligen Arbeitsstunden der Vereinsmitglieder, zweitens dem Ausschöpfen staatlicher Fördermittel durch den Schützenverein und drittens einem entsprechenden Zuschuss durch die Gemeinde.
Nun ist der Schützenverein am Zug und hat die „Qual der Wahl“: „Wir warten jetzt die Ergebnisse der Beratungen innerhalb des Schützenvereins ab, welche der beiden genannten Varianten weiterverfolgt werden soll“, sagt Führer. Auch mit den Eigentümern des Gasthauses Ritter sollten weitere Gespräche geführt werden, um mehr Zeit bis zum Umzug in ein neues Schützenheim zu gewinnen und so weitere staatliche Zuschüsse zu ermöglichen.
Eine klare Absage erteilte der Gemeinderat allen Überlegungen, das Schützenheim mit dem Bau eines Dorfgemeinschaftshauses zu verknüpfen: „Sicherlich steht ein Dorfgemeinschaftshaus mittel- bis langfristig gesehen im Fokus gemeindlicher Planungen, aber nach dem enormen finanziellen Kraftakt zum Ausbau der Amberger Straße und Kirchenstraße sowie der bevorstehenden Pflichtaufgabe zum Neubau einer Kindertagesstätte – ebenfalls ein Millionenprojekt – müssen wir zunächst erst einmal eine Konsolidierungsphase durchlaufen, um entsprechende Finanzmittel anzusparen“, sagte Führer entschieden.
Darüber hinaus müsse ein Dorfgemeinschaftshaus behindertengerecht und barrierefrei ausgestaltet und vor allem in zentraler Lage platziert werden, was weder auf den Sportpark an der Stockheimer Straße, noch auf den Komplex im Osterweg zutreffe. Kommende Woche treffen sich die Schützen zu einer Versammlung, bei der sie über Vor- und Nachteile der beiden vorgeschlagenen Standpunkte diskutieren werden.