„Das Gefühl, in einer Stadt zu leben, muss erst entwickelt werden“, brachte Gemeinderat Robert Pacher die (noch) vorherrschende Stimmung in der Bevölkerung Reuttes auf den Punkt. Vielen kommt der heuer zuerkannte Titel bisher nicht so leicht über die Lippen. Ein guter Beitrag, dies zu ändern, ist die Ausstellung „Vom Dorf zur Stadt“, die jetzt im Museum im Grünen Haus eröffnet wurde.
Museumsleiter Ulrich Kößler und Reuttes Historiker Dr. Richard Lipp haben für die Winterausstellung im Grünen Haus eine Fülle von Urkunden und Dokumenten zusammengetragen und in die Geschichte des zentralen Ortes des Außerferns eingeordnet, der bei seiner ersten urkundlichen Erwähnung vor 746 Jahren nur aus ein paar Häusern auf einer Lichtung nahe des Lechs bestand und wohl eine Tochtersiedlung Breitenwangs war. Vom „Mutterort“ hat man sich übrigens erst 1945 komplett „abgenabelt“, als man eine eigene Pfarrei bekam.
Doch nicht nur die kunstvoll gestalteten Urkunden mit ihren mächtigen Siegeln kann man bei dieser Sonderausstellung bewundern – auch die Herrscher, in deren Namen sie ausgestellt wurden, werden vorgestellt. Kaiser Ferdinand I. bestätigte zum Beispiel 1559 Reutte das Marktrecht – dieses Dokument ist das älteste, das sich in diesem Zusammenhang erhalten hat. Die von Erzherzog Sigismund dem Münzreichen unterzeichnete Originalurkunde ist verschwunden und vermutlich einem der diversen Brände in Reutte zum Opfer gefallen.
Dass mit jedem Herrscherwechsel die Rechte eines Gemeinwesens neu garantiert werden mussten, kann mithin auch als Glücksfall für Historiker bezeichnet werden, kann doch so manches nachvollzogen werden. So manches Dokument erreichte dadurch indes auch Buchgröße, wie sich anhand der Markt-Urkunden eindrucksvoll nachvollziehen lässt, die zu Kaiser-Zeiten von Leopold I., Maria Theresia und Franz II. entstanden.
Aus Allgäuer Sicht ganz besonders interessant dürfte das große Dokument sein, mit dem Bayerns König Maximilian ein Lehen am Plansee an einen Johann Geissenhof verlieh. Das war 1808. Also zu Napoleons Zeiten, als Tirol vorübergehend zu Bayern gehörte. Als Unterzeichner findet sich der Landrichter Aloys von Froschauer, der diese Funktion schon zuvor innegehabt hatte.
Dass einen auch ganz banale Dinge in den Bann schlagen können, zeigt unter anderem die Anordnung von Erzherzogin Claudia (einer gebürtigen Medici) aus dem Jahr 1644, den Reuttener Viehmarkt vom 4. auf den 11. September zu verlegen. Nicht wegen des Inhalts ist diese Anordnung so beeindruckend, sondern wegen des eindrucksvollen Lederbeutels, mit dem das Siegel geschützt wurde. Und ein musealer „Leckerbissen“ ist zudem der Erlass von 1831, der eine Reihe von Tänzen untersagt – und eine lange Liste von Büchern gleich mit. Es war schließlich die Zeit des Biedermeiers, und nach den Karlsbader Beschlüssen herrschte in Europas Monarchien eine strenge Zensur.
All dies zeigt: Die neue Ausstellung im Grünen Haus hält so manches lokalgeschichtliche Schmankerl für interessierte Besucher bereit.
Info: Die Ausstellung „Vom Dorf zur Stadt“ ist noch bis zum 8. März im Museum im Grünen Haus in Reutte (Untermarkt 25) zu sehen. Geöffnet hat es jeweils dienstags bis samstags von 13 bis 17 Uhr.
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