Bestrahlt von einem hellen Scheinwerfer vor dem dunklen Bühnenhintergrund sitzt die berühmte, jetzt 80-jährige Schauspielerin, Chansonsängerin und Autorin an einem Tisch und liest mit dunkler, gepflegter Stimme vor. Verschiedenste Szenen werden lebendig. Nach der Geburt im Kreißsaal verlangt die Mutter nach einem Telefon und verrät dem Vater Udo Proksch mit leuchtender Stimme: „Es ist ein Mädchen!“ Er zeigt männlichen Stolz, schenkt einen Blumenstrauß, lässt sich dann nicht mehr oft sehen, ist notorisch getrieben, unstet. Wenn er kommt, dann meist alkoholisiert und sehr dominant. Es gibt wüsten Streit mit Tätlichkeiten. Die Tochter bekommt das voll mit, besonders wenn die Mutter traurig ist und vor ihr weint. Letztlich kommt er lebenslänglich ins Gefängnis. Anna aber liebt ihren Vater. „Sein Lächeln hatte Charme, alle Schönheit der Welt.“
Die Mutter ist gefragte Schauspielerin. Sie braucht eine Kinderfrau. Marie umsorgt das Kind. Diese zuverlässige Geborgenheit fehlt bei den weiteren Kindermädchen und im Internat. Bei dem exzessiven Lebensstil der Eltern gibt es wilde Partys. Anna erlebt die Folgen, die sich in der verwüsteten Wohnung zeigen. Sie leidet unter der Berühmtheit. Andererseits genießt sie einen Aufenthalt in Mykonos am Meer mit ihrer Mutter. Dabei lernt sie Anne und David Bennent kennen. Sie ist nicht kontaktscheu. Die Mutter wird Filmschauspielerin und dabei intensiver gefordert. Das ist ein gewaltiger Einbruch in Annas Leben. Sie ist viel bei den Omas und Opas. Sie bekommt eine kleine Filmrolle und sorgt sich dabei um ein „Kitzlein“, das sie sehr liebt und an ihr Herz drückt. Hart ist für sie der Ruf des Regisseurs „Aus!“. Das Kitzlein wird vom Bauern wegtransportiert. Wie schwer ist es, bei ihrer Unbefangenheit Rollenspiel und Wirklichkeit zu unterscheiden? Ja, all diese Situationen sind Erika Pluhar sehr präsent und damit hinterfragt sie ihre Mutterrolle. Was würde wohl ihre Tochter zu diesem Buch sagen? Alter und Abschied sind das Lebensthema der Künstlerin. Da passten ihre Lieder wie „Frau, lauf weg, nimm dich selbst an die Hand“. Es war beeindruckend, wie sie den Rhythmus trommelte, mit starken Impulsen den Text vorgab und dabei ihre schauspielerischen Qualitäten aufblitzen ließ. Sie sieht das Leben als Überwindung, wobei Angst abgebaut werden muss. Sich des Lebens bewusst sein und zu innerer Stärke finden, ist ihre Devise. „Trotzdem“ ist ein Song, mit dem sie aufpeitschen kann.
Die musikalische Umrahmung des Programms mit der Pianistin Raphaela Selhofer war eine absolute Bereicherung. Die Sonate in E-Dur von Ludwig van Beethoven und die Moments Musicaux von Sergej Rachmaninow wurden im kraftvollen, prägnanten und souveränen Spiel mit explosiver Leidenschaft vorgetragen. Langer Beifall für einen tief beeindruckenden Abend!