Startseite
Icon Pfeil nach unten
Füssen
Icon Pfeil nach unten

Scheggereiten in Pfronten am Faschingsdienstag (3.3.2025): Das steckt hinter dem Brauch

Fasching im Allgäu

Einzigartiger Faschingsbrauch: Das steckt hinter dem "Scheggereiten" in Pfronten

    • |
    • |
    • |
    Luis Steidle zählt mit seinen 18 Jahren zu den jungen Scheggereitern in Pfronten. Unser Foto zeigt ihn in der Villa Goldonkel.
    Luis Steidle zählt mit seinen 18 Jahren zu den jungen Scheggereitern in Pfronten. Unser Foto zeigt ihn in der Villa Goldonkel. Foto: Benedikt Siegert

    Der Ruß verfinstert zwar seine Miene. Doch wenn die hellblauen Augen aufblitzen, blickt aus ihnen auch der Schalk: Luis Steidle fasst sich mit der rechten Hand an das, was an einer Schnur befestigt zwischen seinen Beinen hängt. „Das hier“, sagt der 18-Jährige, „ist mein Schegg.“

    Er streicht über die Hanfmähne des hölzernen Pferdekopfs. Dabei gibt eine kleine Schelle Blechlaute von sich. In seiner Montur mit Filzhut, Tannenzweigen und Janker erinnert Steidle an einen verkleideten Wilderer. Doch das trügt. Denn Steidle gehört zu einer Gruppe Pfrontener, die einen uralten Faschingsbrauch aufrechterhalten: das Scheggereiten. Immer am Faschingsdienstag ziehen Gruppen junger Männer auf ihren Holzpferden durchs Dorf. „Mittlerweile sind wir wieder zwei Gruppen von ungefähr 13 Leuten“, sagt Steidle. Die Junggesellen finden sich in der Nachbarschaft zusammen, der „Usserpfarr“ und der „Unterpfarr“, also den verschiedenen Pfrontener Ortsteilen.

    Scheggereiten in Pfronten: Das steckt hinter dem Brauch

    Der Brauch will es, dass in jeder Wirtschaft Freibier ausgeschenkt wird. „Wenn nicht, dann streuen wir ein“, sagt Steidle. Im Rucksack haben die Scheggereiter nämlich eine Ladung Heu dabei. Weigert sich ein Gastgeber mal, die Scheggereiter zu bewirten, kann es wild werden. „Aber meistens kriegen wir schon was zu trinken“, sagt Steidle und lacht.

    Wer nun aber denkt, dieser Brauch sei ein reines Trinkspiel, liegt aber falsch. Denn das Scheggereiten verfolgt einen tieferen Sinn. Es ist in seiner Art einzigartig in Allgäu, ja sogar ganz Bayern. Wo es herkommt, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Feststeht nur, dass es in Pfronten schon weit über 100 Jahre in seiner heutigen Form praktiziert wird. „Es gehört neben dem Fuirspringen zu den Bräuchen, die es so nur bei uns gibt“, sagt Philipp Trenkle, Vorsitzender des Heimatvereins Pfronten. Tradition dabei sei, seinen Übermut rauszulassen und sich darüber zu freuen, dass der Frühling bald wieder kommt. „Gut möglich, dass dieser Brauch sogar bis in die keltische Zeit zurückreicht“, sagt Trenkle. Gewiss sei jedenfalls, dass beim Scheggereiten die seit jeher spöttische Ader zum Vorschein kommt, die den Pfrontenern nachgesagt wird.

    Jeder Pfrontener Schegg ist handgefertigt, aus einem Holzstück gesägt und hat eine Mähne sowie einen Schweif aus Hanf.
    Jeder Pfrontener Schegg ist handgefertigt, aus einem Holzstück gesägt und hat eine Mähne sowie einen Schweif aus Hanf. Foto: Benedikt Siegert

    Das Scheggereiten ist auch eine Kritik an der Obrigkeit

    Denn man könne oder müsse den Brauch sogar als Form der Obrigkeitskritik verstehen. „Früher konnten sich ja nur die hohen Herren ein Ross leisten“, sagt Trenkle. „Mit dem wüsten Aussehen im Lumpengewand und Dreck im Gesicht wollte man sie verhöhnen.“

    Das Prinzip des Scheggereitens ist simpel: „Jeder Reiter ist an dem Tag nur der Untertan“, sagt Steidle. Je nachdem, wie der Schegg aufgelegt sei, johlen die Pfrontener Junggesellen dann schon mal wild oder wälzen sich am Boden. Glaubt man früheren Berichten, seien alte Schegge sogar über Wirtshaustische gesprungen oder durch Fenster gejuckt. Heutzutage gehe es aber etwas gemäßigter zu, sagt Steidle.

    Seit drei Jahren steigt er schon am Faschingsdienstag auf sein hölzernes Ross. Gefertigt hat er es selbst. Jeder soll sich in Farbe, Gestalt und Größe von den anderen unterscheiden. Anschließend wird das Pferd vorne und hinten mit einer Schnur bestückt, damit man es sich umhängen kann. Zum Schegg gehören außerdem Mähne und Schweif aus Hanf sowie eine Schelle.

    Eine eiserne Regel besagt, dass die Scheggen nicht über Brücken reiten mögen. „Das heißt, wir müssen am Dienstag wieder durch die Bäche laufen, deshalb tragen wir auch Gamaschen“, sagt Steidle. Er hofft, dass es sein Schegg am Aftermädag (Dienstag) nicht allzu wild mit ihm meint.

    Philipp Trenkle (rechts) ist Vorsitzender des Heimatvereins Pfronten.
    Philipp Trenkle (rechts) ist Vorsitzender des Heimatvereins Pfronten. Foto: Benedikt Siegert

    Legitimation für den Unsinn - das Scheggereite in Pfronten

    Das Pfrontener Unikum Pius Lotter hat einmal gesagt, dass der Schegg einmal im Jahr sein Innerstes nach Außen kehrt. Deshalb tragen viele der Junggesellen bis heute auch ihre Juppen verkehrt rum. „So gibt es eine Legitimation, allen Unsinn an dem Tag, auf den Schegg schieben zu können“, sagt Heimatvereinsvorsitzender Trenkle.

    Er findet es schön, dass der Brauch, nachdem er über Jahrzehnte fast auszusterben drohte, nun wieder durch eine Gruppe junger Leute auflebt. Auch wenn die Gaststätten, in denen die Scheggereiter ihr Unwesen treiben, inzwischen immer weniger würden.

    Neuerdings reiten die Pfrontener Scheggen am Faschingsdienstag sogar auf den Breitenberg. „Aber nur bis zur Hochalp“, sagt Steidle. „Und wenn der Schegg mitmacht, dürfen wir sogar die Bahn nehmen“, sagt Steidle und lacht. Der Schalk blitzt dabei wieder in seinen Augen auf.

    Wenn der Schegg es will, geht‘s für den Reiter manchmal sogar bis unter den Dachboden.
    Wenn der Schegg es will, geht‘s für den Reiter manchmal sogar bis unter den Dachboden. Foto: Benedikt Siegert
    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden