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„Man war tief erschüttert …“

Steingaden-Wies

„Man war tief erschüttert …“

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    Werkgemeinschaft
    Werkgemeinschaft Foto: Philomena Willer

    Mit der Strahlkraft der knappen Fanfare von Leonard Bernstein gaben die Blechbläser den Auftakt zu einem staunenswerten Konzert. Im gut gefüllten Kirchenraum genossen die Zuhörer die reine Freude an einem der beliebtesten sinfonischen Werke, Franz Schuberts Unvollendeter. Dass die beiden Sätze der h-Moll-Sinfonie, die Schubert ohne Fortsetzung zur Seite gelegt hatte, in ihrer wunderbaren Ausgeglichenheit heute als vollkommen empfunden werden, spiegelte sich in der so feinfühlig erarbeiteten Aufführung. Und Reinmar Neuner, seit bald 20 Jahren in der Orchesterleitung der Wieswochen engagiert, dirigierte so furios wie beschwingt. Nach dem düsteren bedrohlichen Beginn präsentierten die Streicher das populäre volksliedhafte Thema, steigerten sich mit den Bläsern zum dramatischen Finale. Die Ruhe des zweiten Satzes mit den aufsteigenden Hornpassagen, dem Pizzicato der Streicher, endete in lichtvoller Abgeklärtheit.

    Mit ihrem Leiter Peter Wuttke erarbeiten die Holzbläser jedes Jahr ein Werk eines nahezu vergessenen Komponisten, und so brachten sie diesmal die Serenade in F des 1911 verstorbenen Wilhelm Berger. Der damalige Hofkapellmeister von Meinigen schuf in seiner kurzen Lebenszeit enormes an Chor- und Orchestermusik und mit seiner Serenade vermittelte das Holzbläserensemble eine Kostbarkeit, die Avantgarde und späte Romantik verbindet. Erstaunliches bot das Intermezzo der Bläser mit Brass vom Feinsten, Roy Jessons Variations, Chris Hazells Kraken, und schon erschien die Jugendgruppe an der Seite zum Bodydrum von Richard Filz, und sie bereiteten viel Freude mit ihrem ganzkörperlichen Rhythmustraining.

    Zur Krönung des Abends wurde Max Regers monumentale Vertonung des 100. Psalms als viersätzige Sinfonie für Chor und Orchester, zu der sich die Sänger an beiden Seiten des Kirchenschiffs sammelten. „Noch unter dem Eindruck des Gehörten, des Miterlebten stehend, ist es mir unsagbar schwer, all das Tiefempfundene, das Erhabene und göttliche jener Stunde zum Ausdruck zu bringen. Man war tief erschüttert, als die gewaltige Doppelfuge verklungen war, hatte etwas Unvergessliches erlebt“, schrieb die Neue Musikzeitung nach der Uraufführung von 1908 in Breslau, die gleichzeitig in Chemnitz mit seinem Dirigat stattfand. Jauchzet dem Herrn – Erkennet Gott – Gehet zu seinen Toren ein – Denn der Herr ist freundlich: aus den vier Versen des Psalms entstand die Chorsinfonie mit den farbenreichen Passagen der Sänger und hoch komplexer Instrumentierung. Das Loblied auf das Freudenfest Israels nach der Rückkehr aus Gefangenschaft und Exil, zugleich ein Gesang der Freiheit, endete mit Luthers Choral Ein feste Burg. Begeisterter Dank für den beglückenden Abend und der Vorfreude auf weiterhin Klassisches sowie Neuentdecktes.

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