Selten so gelacht und selten gleichzeitig so viel dazugelernt: Wie Michael Sommer mithilfe seines 97-köpfigen Ensembles aus Playmobilfiguren im Nesselwanger Pfarrheim Klassiker der Weltliteratur auf der Hebebühne des LÜV (Literarischer Überwachungs-Verein) durchleuchtete, war gnadenlos. Gnadenlos gut und gnadenlos respektlos gegenüber bis heute in Schulen gelesenen Größen wie „JoWo Goethe“, „ETA Hoffmänn“ oder „Schorsch Büchner“. Von der glänzenden Karosserie der Formulierkunst entblößt und auf die Kernfragen reduziert (Wer ist die Hauptfigur? Was ist das Problem? Und wie wird es gelöst?) entpuppen sich die meisten Klassiker als gewalttriefender Ausdruck des Patriarchats. Frauenfiguren haben nur Überlebenschancen, wenn sie sich vollständig unterwerfen oder flüchten, so die Diagnose des in blauer Latzhose angetretenen „Literatronikers“. Dabei erweist er sich selbst als Meister der Fabulierkunst, den es mit allerlei Metaphern aus der automobilen Welt nie aus der Kurve trägt.
Theatergemeinde