„Willkommen, bienvenue, welcome“: So hieß Martin Fumian auf der Showbühne des Nesselwanger Pfarrheims das Publikum willkommen. Für viele Gäste war er kein Unbekannter. Der Tuba-Mann und Pianist war mit seinen Kolleginnen und Kollegen schon mehrfach als warmtoniger Basscharmeur der „Dissonanten“, einer bunten Sängerschar aus Marktoberdorf, in Nesselwang
und Umgebung zu Gast. Und mit deren neuem Programm über die musikalischen Wirtschaftswunderjahre der 1950er und 1960er Jahre feiert er weiter Erfolge. Zusätzlich begibt er sich nun mit dem Ensemble „Manoli“ auf neues, spannendes Terrain. Denn die zwölf schauspielverrückten und musikbegabten „Manolis“ unter der Leitung von Autor und Regisseur Stefan Grassmann begeben
sich mit ihrem ersten Theaterstück „Des Teufels Hand“ auf eine amüsante Spielwiese der ausdrucksstarken Schauspielkunst, musikalischen Hochkarätigkeit und monochromen Flmkiste.
Verrückte und bissige Bühnenshow für das Nesselwanger Publikum
Mit der ersten Berliner Leuchtreklame wurde die Zigarettenmarke Manoli seinerzeit durch die seltsam zuckenden, rotierenden Leuchten bekannt. Der umgangssprachliche Ausdruck „Manoli sein“ bedeutete damals „verrückt sein“. Das Ensemble kredenzte dem Publikum in Nesselwang also eine sprichwörtlich verrückte, gut zweistündige Bühnenshow mit bissigem Tiefgang und amüsantem Augenzwinkern. Ein Fest für alle Sinne sollte sie werden, die spannende Zeitreise in die Goldenen Zwanziger, ins Zeitalter der Charleston Kleider, Knickerbocker, Perlenketten und gewagten Wasserwellenfrisuren. Beinahe groovig lud der „Boogie Woogie Bugle Boy“ der bezaubernden Andrew Sisters (Brigitte Luftensteiner, Ulla Klaus, Margerita Höbel) zum Mitwippen ein, als sich die herrlich berlinernde Hilde (Kathrin Schindele) und ihre Schwester Grete (Annette Lotter), eine Landpomeranze, im wilden Berlin durch die Zeitenwende zwischen den beiden Weltkriegen schlängeln sollten.
Nesselwanger Pfarrheim verwandelt sich in einen Kinosaal
Neben ihrem kürzlich ererbten Salon samt herrlich musikalischem Interieur (Manfred Selb und Gerhard Link) gelangten die beiden schon bald in die glamouröse Flimmerwelt der aufstrebenden Filmproduktionen. Mit wenigen Handgriffen verwandelte sich das
Pfarrheim kurzerhand in einen Kinosaal und wieder zurück. Mit einer eigens dafür komponierten Klaviermelodie wurde der erstaunlich schräge, namensgebenden Stummfilm „Des Teufels Hand“ präsentiert. Dank ihres Filmemachers Brausewetter (Stefan Grassmann) mit einem Hang zur „erotikalischen“ Musik, schaffen die zwei jungen Damen, ihren - zugegeben etwas gruseligen - Karrieredurchbruch, mit all seinen Folgeerscheinungen. Grassmann hatte sich im Vorfeld wohl intensiv mit der Zeit der Weimarer Republik auseinandergesetzt, denn die fiktive Geschichte der beiden Frauen wurde zeitgleich verwoben mit den realen historischen Ereignissen und Phänomenen, wie die Rolle der Frau, die sogenannten Inflationsheiligen, die politischen Wechselbäder oder dem Börsencrash, der vom Zeitungsburschen (dem jüngsten Manolianer Luis Grassmann) ausgerufen wird.
Die Aufführung hätte mehr Besucher verdient
Während die herrlich leidenschaftliche Suffragette Ulla Klaus ihr Solo „Raus mit den Männern“ singt, wird die musikalische Stimmung bereits wenig später mit Zarah Leanders „Nur nicht aus Liebe weinen“, Brigitte Horneys „So oder so ist das Leben“ und dem Comedian Harmonist Hit „Irgendwo auf der Welt“ zusehends auf Melancholie gedimmt. Das Theaterspektakel endete mit dem wohlverdienten, stürmischen Applaus. Vielleicht hat sich der Gründgens-Hit „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“ bis jetzt nicht bis nach Nesselwang herumgesprochen, denn leider waren nicht so viele Zuschauer gekommen, wie das Stück eigentlich verdient hätte.
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