„Es ist lustig, dass zwei kleine Jungs aus Oberstdorf, wie wir, die Welt bereisen“, sagt Felix Messenzehl. Der 21-Jährige meint neben sich auch seinen langjährigen Teamkollegen Johannes Scheuerl. Das Wort „bereisen“ ist aber maßlos untertrieben, denn die beiden Curler vom EC Oberstdorf holten sich vor wenigen Wochen mit dem deutschen Herren-Team bekanntlich den historischen EM-Titel. Während die Curling-Senioren also in der kommenden Woche anlässlich der Jubiläumswoche zum 100-jährigen Bestehen des ECO in Oberstdorf um Medaillen kämpfen, drücken die neuen Aushängeschilder die Daumen.
Wenn man auf die Karrieren von Felix Messenzehl und Johannes Scheuerl blickt, erkennt man etliche Parallelen. Immerhin kennen sich die beiden Oberstdorfer nicht nur seit der ersten Klasse der Grundschule, sie sind auch schon genauso lange befreundet. Mittlerweile haben sie in Kempten gemeinsam mit ihrem Nationalmannschafts-Teamkollegen Mario Trevisiol (CC Füssen) eine Wohngemeinschaft.
Messenzehl und Scheuerl beginnen im Grundschulalter mit dem Curling
Doch im Gegensatz zu Messenzehl, dessen Vater Markus bereits als Curler hochdekoriert ist, stammt Johannes aus keiner Sportlerfamilie. Beide Freunde begannen zunächst mit Fußball. Johannes kletterte zudem und fuhr Ski, Felix spielte Tennis. Doch letztlich war es Markus Messenzehl, der das Duo im Grundschulalter für Curling begeisterte. Der zweimalige Europameister wollte beim ECO im Nachwuchsbereich etwas auf die Beine stellen.
Als Johannes und Felix sich vor zehn Jahren erstmals in der neuen Sportart versuchten, waren beide auf Anhieb begeistert - vor allem von dem Mannschaftssport. „Das Team ist wie eine zweite Familie und da wir nur fünf Leute sind, kennen wir uns in- und auswendig. Mit Freunden zusammen zu sein macht es für mich aus“, eklärt Scheuerl. Messenzehl beschreibt die Faszination als taktisch und physisch „tolle Kombi“.
Curling als Randsportart? „Manchmal angenehm“
Das Schattendasein der Randsportart sehen Felix Messenzehl und Johannes Scheuerl mit gemischten Gefühlen. Ob es angenehm ist, in Ruhe arbeiten zu können oder frustierend, weil die Leistungen nicht gebührend Beachtung finden? Johannes Scheuerl vergleicht Curling scherzhaft mit dem Fußball: „Bei schlechten Ergebnissen ist es angenehm, dass im Curling nicht gleich die ganze Presse über die Gründe diskutiert“, sagt der 22-Jährige.
Doch das Duo stört sich nicht am geringen medialen Interesse. Doch dem Curling zuliebe wünschen sie sich mehr Aufmerksamkeit. „Dem Sport würde es guttun“, sagt Scheuerl. „So viele Leute können es machen, weil man schnell auf ein Niveau kommt, auf dem man spielen kann“, fügt Messenzehl hinzu. Stolz und doch bescheiden berichten beide von den Ausschnitten nach ihrem EM-Titel in der Tages- und der Sportschau.
Als die beiden Oberallgäuer beim EC Oberstdorf anfingen, dachten sie noch nicht über eine große Karriere nach, damals ging es den beiden in erster Linie um den Spaß am Sport. Messenzehl gesteht zwar, man habe ihm das vererbte Talent seines Vaters angesehen. Doch sein Ehrgeiz sei ihm letztlich zugutegekommen.
ECO-Duo erlebt etliche Highlights und Tiefpunkte
Scheuerl erinnert sich an die erste bayerische U14-Meisterschaft, die beide schon wenige Monate nach ihrem Einstieg spielen durften. Als 15-Jährige folgte für das Duo die Berufung in den Stützpunkt und damit drei wöchentliche Trainingseinheiten in Füssen. „Die Nächte waren oft kürzer, weil wir erst um 22 Uhr daheim waren“, erinnert sich Scheuerl. Dafür wurden sie, was Befreiungen angeht, von ihren Schulen unterstützt. Mittlerweile können sich die ECO-Athleten als Sportsoldaten der Bundeswehr ganz auf ihren Sport konzentrieren.
Obwohl beide erst Anfang 20 sind, haben sie bereits etliche Höhen und Tiefen erlebt. Die Junioren-Vize-Weltmeisterschaft und der EM-Titel bei den Herren waren für beide Sternstunden. Abgesehen von diesen Erfolgen haben Scheuerl und Messenzehl aber noch besondere Erlebnisse in Erinnerung. 2021 durften sie im Sommer zu einem Curling-Turnier nach Los Angeles und erhielten sogar noch Sightseeing-Touren in der US-Metropole. „LA war megacool“, schwärmt Scheuerl. Messenzehl durfte im vergangenen Jahr mit seiner Schwester ein Junioren Mixed-Double spielen und gewann auf Anhieb.
Der Tiefpunkt war für beide aber ihre letzte Junioren-WM, bei der sie als Favorit aufs Eis gingen, sich aber mit Platz fünf zufriedengeben mussten. Die Aussicht, kurz darauf das erste Mal bei einer Herren-WM dabei zu sein, half ihnen allerdings über die „sehr bittere Enttäuschung“ hinweg. Als „Front End“ des deutschen Teams sehen sich die beiden Oberallgäuer als „Spaßvögel“ und „Wischtiere“. Und die Ansprüche der Europameister sind gewachsen: Ihr großes Ziel neben den anstehenden Meisterschaften sind die Olympischen Winterspiele 2026.
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