Wenn er Fahrt aufnimmt, geht man besser aus dem Weg. Milan Lipp ist der Inbegriff dessen, was man sich als Mitspieler wünscht – und worauf man als Gegenspieler so gar keine Lust hat. Denn wenn der 2,00 Meter große und 103 Kilogramm schwere Basketballer des TSV Sonthofen die gegnerische Zone attackiert, macht er keinen Gefangenen.
Das wird auch an diesem Samstag so sein, wenn der amtierende BOL-Meister ab 18 Uhr den VSC Donauwörth in der Gymnasium-Halle erwartet. „Milan strahlt eine unglaubliche Dominanz in der Zone aus, mit der er sich in dieser Oberliga vor niemandem verstecken muss“, lobt Spielertrainer Tim Eisenhauer den 24-jährigen Center. „Er hat eine Physis, die beeindruckend ist.“
Mit 16 Jahren wagt Lipp den Sprung in die Nachwuchs-Bundesliga
Letzteres musste sich Lipp erarbeiten. Mit Vater Roman als ehemaligem Zweitliga-Volleyballer und Mutter Tanja, selbst jahrzehntelange Identifikationsfigur im Sonthofer Basketball, schien Lipps Weg vorgezeichnet. Und nach Anfängen im Schwimmen und Langlaufen unter Christa Senkbeil beim SC Sonthofen begann die Korbjagd schon mit neun Jahren.
In der Basketball-AG der Grundschule unter Leitung von Stephanie Maior und eben Mama Tanja tastete sich Lipp an das orangefarbene Leder heran – und ließ nie wieder los. Ab der U12 lief es für den gebürtigen Sonthofer beim TSV wie am Schnürchen, ehe er mit 16 Jahren über das neu gegründete Team Allgäu/Memmingen den Sprung nach Ulm in die Nachwuchs-Bundesliga wagte.
Eine lehrreiche, einjährige Erfahrung, die aber vor allen Dingen an der logistischen Herausforderung scheiterte: „Ich habe mich in der Zeit auf das Fachabitur vorbereitet. Dreimal die Woche nach Ulm fahren und erst um 1 Uhr nachts zurückzukommen – das war nichts für mich“, sagt der 24-Jährige heute. „Ich habe da gespürt, dass Leistungssport auf dem hohen Niveau nicht meine Leidenschaft ist, wenn ich fünfmal in der Woche dafür in der Halle stehen muss.“ Er wagte zwar 2019 noch einmal das „Abenteuer Bayernliga“ beim TV Memmingen – die endgültige Rückkehr zum Heimatverein war aber beschlossen.
Coach Eisenhauer: "Er ist eine Naturgewalt und außergewöhnlich"
„Ich hätte noch immer Lust und Motivation, höherklassig zu spielen“, sagt Lipp und ergänzt mit Blick auf die aktuelle Lage in Sonthofen nach der jüngsten Meisterschaft: „Wir hätten vielleicht sogar aufsteigen sollen. Aber wir haben jetzt ein recht junges Team, das lernen muss.“ Und Lipp weiß, wovon er spricht. Die denkwürdige Meistersaison 2017/2018 erlebte der Center noch als Teenager – musste sich seinerzeit „selbst noch an den Älteren orientieren“. Heute gehört Lipp mit 24 Jahren zu den festen Säulen im Team der Kreisstädter und ist für Eisenhauer inzwischen unverzichtbar geworden.
„Das Körperliche, der Schritt von einem Jugendspieler, der oft den Kontakt scheute und von draußen geworfen hat, zu dem, was Milan jetzt verkörpert, ist immens“, sagt der 39-jährige Coach. „Er ist eine Naturgewalt und in Bezug auf Einsatz und Dominanz außergewöhnlich.“ Das schlägt sich nicht nur in den Punkten nieder, wo der 24-Jährige mit 15,0 Zählern pro Partie ligaweit auf Rang 14 rangiert.
Unglaublicher Wert belegt Lipps Effekt
Der immense Effekt, den Milan Lipp auf das Spiel der Sonthofer hat, zeigt der sogenannte „+/-Wert“, der den Clubs seit heuer in der Analyse zur Verfügung steht. Dieser gibt an, ob die Mannschaft Vorsprünge oder Rückstände erspielt hat, in der Zeit, in der der jeweilige Spieler auf dem Feld stand.
Hier hat Lipp nicht nur mit kolossalem Abstand den besten Wert aller bisher eingesetzten Sonthofer Spieler – beim 13-Punkte-Sieg des TSV gegen Diedorf lag dieser beim Center sogar bei +23. „Dass er in jungen Jahren schon ein Führungsspieler ist – nicht unbedingt durch große Worte, aber durch seinen Einsatz – macht ihn unverzichtbar“, sagt Eisenhauer. „Man kann sich in jeder Hinsicht auf ihn verlassen und sein Beitrag zum Teamerfolg ist vorbildlich.“
Und so kann und will der Hüne mit Schuhgröße 49,5 auch mit großen Schritten vorangehen beim amtierenden Meister. „Meine Rolle im Team ist deutlich gewachsen“, sagt Lipp mit Blick auf den Vergleich zwischen den beiden Meisterteams von 2018 und 2024. „Ich konnte mich auf die Erfahrung der anderen verlassen – und wenn ich einen Fehler gemacht habe, haben ihn andere ausgebügelt. Heute läuft es genau andersherum.“
Unspektakulär, aber "defensiv ein Anker"
Dabei wirkt Lipp durch seine imposante Statur nicht selten behäbig in den Abläufen und deshalb meist unspektakulär in den Aktionen. Doch die gewaltige Durchschlagskraft, mit der der 24-jährige Ausnahmespieler sich an beiden Enden des Feldes für das Team opfert, ringt seinem Coach – seines Zeichens früherer Regionalligaspieler - großen Respekt ab.
„Seine Rebounds, vorne wie hinten, und sein Positionsspiel sind überragend. Er ist immer eine feste Bank und defensiv ein Anker“, sagt Eisenhauer. „Man weiß immer, woran man bei ihm ist.“ Oder wie Milan Lipp es selbst formuliert. „Es ist cool, vorne den entscheidenden Punkt zu machen, klar. Aber wenn Du hinten einen Gegner abräumst oder gegen zwei Leute einen Rebound holst, kann das der Mannschaft noch mehr Energie geben.“