Welch ein verheißungsvoller Titel: „Ein Zimmer für sich allein“! Virginia Woolf hatte sich in einem Essay anno 1929 unter diesem Titel Gedanken unter anderem über Feminismus, Autonomie, Selbstentfaltung gemacht. Gedanken, die zehn Künstlerinnen der Gedok München zur Triebfeder ihrer jüngsten Gemeinschaftsausstellung in Sonthofens Stadthausgalerie nahmen. Ein Raum als physische oder metaphorische Heimat für verborgenste Gedanken und Träume. Ein Raum, der den nötigen Freiraum bietet, um Ideen zu entfalten und zu kreativen Impulsen zu verdichten. Welch verheißungsvoller Gedanke!
Die jetzt nach Sonthofen gereisten zehn Vertreterinnen einer interdisziplinären Künstlerinnen-Vereinigung haben - trotz gestalterischer Differenziertheit - die Gemeinsamkeit akademischer Studien und öffentlicher Reputation. Was zu erwähnen sich angesichts der faszinierenden Arbeiten erübrigt.
Fantastische Fabelwesen
Gleich im ersten Raum hat dessen „temporäre Bewohnerin“ Silke Bachmann ihren Gedanken Flügel wachsen lassen. Auf großformatigen Bildern schweben fantastische Fabelwesen oder reale Pflanzen schwerelos durch Zeit und (in warme satte Farben getauchten) Raum. „Schlaf und Träume sind ein Schlüssel, um in jenen versteckten Raum in uns selbst zu gelangen“, erklärt die Künstlerin. Wunderschön!

Mit einem raben-(Pardon)affen-schwarzen Kontrastprogramm wartet Ina Loitzl gleich nebenan auf. Mittels spezieller Technik schneidet sie in die Länge ziehende Spiralen aus monochromer Folie und entwickelt daraus Überraschungsobjekte. Neben Wandinstallationen (bei denen der Entstehungsprozess wichtiger sei als das Endprodukt), Folienresten, Bananen (Futter für den Affen) und Stroh sorgt eine pfiffige Videoarbeit über den Cutout-Monkey für Erheiterung.
"Von der Außenwelt isoliert"
In ihrem „alleinigen Zimmer“ hat Katharina Lehmann große schwarze Kuben als Botschafter ausgesandt. „Der Kubus ist durch stabile Wände von der Außenwelt isoliert, lässt jedoch durch seine transparenten Oberflächen den Blick ins Innere zu ...“
Dagegen hat sich Hertha Miessner ganz der „trügerischen Ästhetik der digitalen Bildwelt“ verschrieben. Nebenprodukte der Malerei seien Ausgangspunkt eines digitalen Werkprozesses. Farbigkeit, Verspieltheit, Dynamik brächten den virtuellen Bildraum zum Schwingen ...
Schattenspiel mit Marylin Monroe
Sehr real, hinreißend schön und faszinierend beweglich beim Schatten-Spiel der filigranen Objekte nach einem Lufthauch - Christiane Potts federleichte schwarze Faden-Gebilde. Da ist die glamouröse Sinnlichkeit von Marylin Monroe genauso akribisch eingefangen wie eine robuste Kalaschnikow oder kokette Dessous oder ein Bücherstapel ... Was zum Verweilen einlädt.

Aber in der Nachbarschaft lockt Olga Wiedenhöft mit den gesichtslosen Körperbildern verletzter Frauen. „Fleischcollagen“ benennt die Künstlerin ihre Arbeiten. Die Sprache des Fleisches sei direkt, drücke alles aus, was wir empfinden: Hunger und Sättigung, Anziehung und Abneigung, Schmerz und Wohligkeit - und die eigene Vergänglichkeit.
Schrein der Erinnerungen
Wobei Letzteres von Erika Kassnel-Henneberg besonders eindrucksvoll und berührend umgesetzt wird. Was bleibt, wenn ein Mensch für immer geht? Ein solch verlassener Raum sei ein Schrein der Erinnerungen: Briefe, Fotos, vergilbte Zettel ... Welche Bedeutung hat ein altes Fotoalbum, wenn es niemanden mehr gibt, der die Geschichten dieser Menschen zu erzählen weiß? Erika Kassnel-Henneberg hat sie virtuell post mortem zum Leben erweckt. Ein stiller bewegender Moment der Ausstellung.
Losgelöst von der Erdenschwere
Völlig losgelöst von aller Erdenschwere dagegen bezaubern die raumgreifenden Arbeiten von Renate Gehrcke. Dort kann man sich nicht sattsehen und lauscht am besten der Künstlerin: „Die Linie fließt aus meiner Hand, umkreist, umspinnt, erforscht Körper, Bewegungen, Stimmungen ... Figuren auf den durchsichtigen Gazebahnen sind gleichsam schwerelose Geistwesen in einem Metareich, die bei jedem Windhauch in Bewegung geraten. Sie haben sich vor einer schwebenden geheimnisvoll leuchtenden Tür versammelt, die den Raum einerseits abschießt, aber auch verheißungsvoll in die Ferne weist ...“ Einfach zauberhaft!
Laszive Schönheit
Dagegen bietet Martina Salzberg mit der lasziven Schönheit und dramatisch inszenierten nackten/bekleideten Maja reales sinnliches Vergnügen, nebst einer verschlüsselten (emanzipatorischen) Botschaft.
Und Julia Smirnova zeigt mit „Mäander III“ eine „subjektive Perspektive auf die innere Welt, in der Momentaufnahmen mit der Fantasie verschmelzen...“ Daneben zeugen Objektinstallationen und luftige Acrylglassäulen von der gestalterischen Kreativität dieser Künstlerin.
Es gäbe noch viel zu erzählen von dieser vielfältigen grandiosen Ausstellung. Am besten selbst schauen _ mit viel Zeit und Muße im Gepäck!
Geöffnet bis zum 7.April, mittwochs bis sonntags jeweils von 14 bis 17 Uhr - ergänzt durch ein Klavierkonzert mit Anna Heller am Sonntag,10. März, um 17 Uhr.