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Stellenabbau bei Robert Bosch GmbH in Blaichach und Immenstadt: Produktionsverlagerung und Fluktuation im Fokus

Stellenabbau bei Bosch

„Erst der Mensch, hieß es früher bei Bosch“: So reagieren Beschäftigte im Oberallgäu auf den Stellenabbau

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    Der Automobilzulieferer Bosch, hier das Werk in Immenstadt-Seifen, plant den Abbau von 650 Stellen im Allgäu.
    Der Automobilzulieferer Bosch, hier das Werk in Immenstadt-Seifen, plant den Abbau von 650 Stellen im Allgäu. Foto: Ralf Lienert

    Schockstarre oder Gefasstheit, weil das längst Erwartete eintrifft? Die Ankündigung von Bosch, im Oberallgäu 650 Stellen abzubauen, löst noch keine Proteststürme aus. Wütende Metaller mit Transparenten vor den Werkstoren in Blaichach oder Immenstadt? Bisher Fehlanzeige. „Viele haben das schon geahnt“, sagt ein langjähriger Beschäftigter zum geplanten Stellenabbau beim größten industriellen Arbeitgeber im Oberallgäu.

    Am Donnerstag hatte die Werksleitung bei kurzfristig einberufenen Betriebsversammlungen für die Früh-, Spät- und Nachschicht die Belegschaft informiert. Dabei ging es auch um Hintergründe wie rückläufige Stückzahlen und steigende Rohstoffpreise. Die Kantine war „extrem voll“, beschreibt eine Mitarbeiterin die Situation. Viele Kollegen hätten den richtigen Riecher gehabt, dass ein brisantes Thema anstand.

    Stellenabbau bei Bosch: „Viele mussten erst mal schlucken“

    Die Reaktionen bei der Versammlung in Immenstadt, die per Liveschaltung ins Werk in Blaichach übertragen wurde, schildert ein Werkzeugmacher als sehr ruhig: „Es gab kein Buhen und Pfeifen, die Leute haben das mit Fassung getragen.“ Im Moment jedenfalls. „Viele mussten auch erst mal schlucken“, sagt er. Bei Arbeitsbeginn der Nachtschicht wussten dann Beschäftigte schon aus Medienberichten, was im Raum steht.

    Ein 63-Jähriger, der Jahrzehnte im Betrieb ist, geht davon aus, dass Bosch den Abbau mit natürlicher Fluktuation recht gut hinbekommt und alles sozialverträglich laufen wird. Am Standort seien relativ viele Ältere beschäftigt. Schon jetzt setze Bosch auf Altersteilzeit. Mit großzügigen Regelungen sei da einiges mehr zu machen: „Manche im passenden Alter freuen sich da sicher drauf.“ Zudem habe Bosch in den vergangenen Jahren zahlreiche Kräfte nur befristet eingestellt, deren Verträge vielleicht nicht alle verlängert werden.

    Fertigungslinie wird von Blaichach nach Südfrankreich verlagert

    Eine Kollegin vermutet, dass vor Kündigungen genau in die Personalakten geschaut werde. Dabei gerieten vielleicht auch Beschäftigte in den Blick, die häufig krank oder aus anderen Gründen „aktenkundig“ seien. Mit dem angestrebten Stellenabbau geht der schon länger geplante Abzug einer Fertigungslinie für sogenannte Phasengeber von Blaichach nach Südfrankreich einher. Dabei handelt es sich um elektrische Bauteile der Automobilproduktion. Um die 60 Beschäftigte könnten davon betroffen sein, heißt es vor dem Werk.

    „Mit der Verlagerung leisten wir einen Beitrag zur Beschäftigungssicherung am Standort Rodez, zu der sich Bosch verpflichtet hat“, sagt dazu eine Sprecherin des Bosch-Werks Immenstadt auf Nachfrage unserer Redaktion. Gerade vor dem Hintergrund rückläufiger Stückzahlen in anderen Produktbereichen sei dieser Beitrag sehr herausfordernd. „Dennoch stehen wir zu dieser Verantwortung.“ Man trage den damit verbundenen Stellenabbau gemeinsam und fange die Effekte über unterschiedliche Maßnahmen ab. „Ein direkter Abbau von Arbeitsplätzen allein aufgrund der Verlagerung ist damit nicht verbunden.“

    Sparpotenzial in der Verwaltung? „Assistenten für die Assistenten der Assistenten“

    Es sei erschreckend, wie die globalen Entwicklungen ein Weltunternehmen wie Bosch ausbremsen, sagt ein Mitarbeiter aus der Produktion. „Made in Germany“, Deutschland und Europa zählten nicht mehr, man zehre nur noch von der Substanz. „Von der Technik her sind selbst unsere modernsten Autos gegenüber Fahrzeugen aus China in vielen Bereichen Oldtimer.“ Allerdings sei Bosch ein sehr innovatives Unternehmen und der Standort Blaichach/Immenstadt stehe noch gut da.

    Der 56-Jährige geht davon aus, dass es am Allgäuer Standort zu keinen Entlassungen kommen wird, sondern der Stellenabbau sozialverträglich erfolgt. Auch mithilfe der Altersteilzeit. Zudem sei schon länger im Gespräch, frei werdende Stellen nicht nachzubesetzen. Der Mann empfindet die geplanten Maßnahmen letztlich als nachvollziehbar: Bosch investiere in die Zukunft.

    Eine Band-Mitarbeiterin macht sich derweil Sorgen, wie sich die zunehmende Automatisierung auf Arbeitsplätze in der Fertigung auswirken wird. Bei allem Verständnis für anstehende Maßnahmen fordert sie, nicht nur die Produktion in den Blick zu nehmen, sondern auch die Verwaltung. Die Rede ist von einem zunehmenden Wasserkopf mit „Assistenten für die Assistenten der Assistenten“.

    Und es gibt mehr Kritik in dieser Richtung. Ein Mann sagt: „Erst der Mensch, hieß es früher bei Bosch; inzwischen ist der Mensch auch bei Bosch austauschbar.“ Da schwingt Misstrauen gegenüber der Geschäftsführer-Ebene des Konzerns mit. Es gebe mittlerweile viele, die von außen kommen und nur noch rechnen, aber nicht die Bosch-Philosophie leben, sagt der Oberallgäuer. Im Kollegenkreis denke so mancher, dass die oberen Reihen sich lieber die eigenen Taschen vollmachen, statt an die unten zu denken, die zum Unternehmenserfolg mit ihrer Arbeit beitragen oder ihn erst ermöglichen.

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