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Vom Wahn und Wert der virtuellen Welt

Gunzesried

Vom Wahn und Wert der virtuellen Welt

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    „Smartphone-Wahn“: Eine Bronzeskulptur von Magnus Auffinger, zu sehen mit weiteren Beispielen aus dieser Serie auf der Internet-Seite des Gunzesrieder Bildhauers, Malers und Zeichners.
    „Smartphone-Wahn“: Eine Bronzeskulptur von Magnus Auffinger, zu sehen mit weiteren Beispielen aus dieser Serie auf der Internet-Seite des Gunzesrieder Bildhauers, Malers und Zeichners. Foto: Repro: Magnus Auffinger

    Der Mann und die Frau lümmeln nebeneinander auf der Parkbank. Beide starren gebannt auf einen kleinen Bildschirm, den sie in Händen halten. Sie hält ihn sich über den Kopf, er vor der Brust. Einander haben sie sich offenbar nichts mehr zu sagen: „Smartphone-Wahn“ nennt Magnus Auffinger seine gesellschaftskritische kleine Skulptur, die die Macken der Menschen satirisch auf die Spitze treibt. Sie mahnt auf humorvolle Art vor der Gefahr, sich in der virtuellen Welt des Internets zu verlieren und darüber die Wirklichkeit zu vergessen.

    Doch die virtuelle Welt des Internets und die neuen digitalen Techniken bieten auch Chancen. Nicht nur in Zeiten, in denen das öffentliche und kulturelle Leben fast erstorben ist, um die rasche Ausbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen. Magnus Auffinger, der Bildhauer aus Gunzesried, nutzt seit einiger Zeit neue digitale Techniken für seine künstlerische Arbeit. Mit einem 3D-Programm kann der 59-Jährige virtuell Modelle erzeugen, die ihm als Vorstudien für die Gestaltung einer Skulptur helfen.

    Zum Beispiel bei der Beantwortung der Frage: Mit welcher Pose lässt sich jene Aussage am besten verdeutlichen, die er einer Figur geben will? Außerdem lasse sich mit dem Computerprogramm auch die Wirkung einer Skulptur in ihrer vorgesehenen Umgebung simulieren und testen – und damit die Frage beantworten: Passt das Werk überhaupt an die geplante Stelle?

    Magnus Auffinger ist jedenfalls von den neuen digitalen Techniken als Hilfsmittel für das künstlerische Gestalten beeindruckt. Deshalb möchte er in einem Kurs Bildhauer, die bislang keinen Zugang dazu gefunden haben, an dieses 3D-Programm heranführen. Durch ein wechselseitiges Gestalten, wie er es nennt, digital und analog. Freilich erst nach der Corona-Krise.

    Natürlich ersetzen digitale Techniken nicht die Kreativität, das künstlerische Talent und das handwerkliche Können, betont Magnus Auffinger. Er selbst brauche als Bildhauer einfach die Arbeit mit den Händen. Was er und wie er mit ihnen schafft, das zeigt er exemplarisch auf seiner Internetseite.

    Auf ihr sind Arbeiten zu entdecken, die selten oder sogar noch nie öffentlich zu sehen waren. Denn Magnus Auffinger ist ein nachdenklicher und zurückhaltender Mensch, der sich in der Öffentlichkeit rar macht und sich selbst nicht in den Vordergrund rückt. Dafür sind seine Werke umso pointierter.

    Das verdeutlicht etwa „Das schöne Allgäu“, eine Zwitterfigur aus Mensch und Kuh, an deren Zitzen sich zwei Menschlein laben: Sie sitzt grün und frech, die Beine weit in die Luft gespreizt auf einer Bank inmitten einer idyllischen Landschaft, während das Wort „Milch“ wie ein Spruchband an der rechten Seite herunterläuft.

    Noch provokanter wirkt die Zeichnung „Die Milch im Kreislauf. Geben und Nehmen“, bei der Frau und Kuh gegenseitig an Zitze und Brustwarze saugen. Dabei sind all diese Zeichnungen von enormer kompositorischer Dichte und fast architektonisch strengem Aufbau, wie etwa ein eng umschlungenes Liebespaar samt Hund, das sich zu einer Säule erhebt.

    Seine zeichnerische Ausdruckskraft nutzt Magnus Auffinger auch, um damit Keramik zu veredeln, etwa Schalen und Vasen in der Serie „Schwarz auf Weiß“. Und natürlich sind auch auf der Internetseite Skulpturen des Künstlers zu bewundern wie etwa das „Duckface“, ein junges Mädchen, das mit der Haltung seines Körpers ein wenig an eine Ente erinnert und dessen Lippen sich zu einer Schnute spitzen. Oder eben jene Mensch gewordenen Symbole des „Smartphone-Wahns“, die ihr Gesicht gen Himmel wenden, aber dabei nicht in die Weite des Alls schauen, sondern nur auf das Gerät, um ein Foto von sich selbst zu schießen.

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