Vergangenes Jahr sorgte Dr. Markwart Herzog mit seinen Recherchen zum FSV Frankfurt für Aufsehen: Erstmals stellte der frühere Direktor der Schwabenakademie Irsee nämlich die direkte Einflussnahme der Nationalsozialisten auf den jüdischen Vorstand eines Fußballvereins fest – und deckte nebenbei noch einen Kunstdiebstahl der Nazis auf. Nun präsentierte der Kaufbeurer in dem Vortrag „Über den Geist des Kapitalismus im Fußball: Dr. David Rothschild und Alfred J. Meyers – Präsidenten des FSV Frankfurt, 1925-1933“ neue Erkenntnisse dazu.
Belgisch-brasilianische Fußball-Tagung
Bei der Tagung der Uni Brüssel und einem wissenschaftlichen Institut aus Rio de Janeiro ging es um Fußball, und zwar in Geschichte, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Zunächst schilderte Herzog wie bislang die unheilvolle Einflussnahme der Nazis in den Fußball und insbesondere beim FSV – was von der Stadt, dem Verein und den Nachkommen bereits gewürdigt wird. „Rothschilds und Meyers’ Nachkommen freuen sich über jede neue Erkenntnis zur Geschichte ihrer Vorfahren sehr.“
Das schiefe Bild des FC Bayern als „Judenclub“
Aber es ging auch um das Selbstbild anderer Vereine, die sich als Opfer des Nationalsozialismus gerieren: „Vor allem Eintracht Frankfurt und der FC Bayern München stilisieren sich – auf teils sehr unredliche Weise – als ,Judenclubs’. Die Bayern vor allem wegen des jüdischen Präsidenten Kurt Landauer“, erklärt Herzog. Doch tatsächlich waren jüdische Vertreter in den Vorständen der Clubs kaum vorhanden.
Mindestens acht Juden im Vorstand des FSV Frankfurt
„Dagegen habe ich neben den beiden jüdischen Vorsitzenden bisher sechs weitere Juden identifiziert, die in den Weimarer Jahren dem FSV-Vorstand angehört haben: Unternehmer, Fabrikbesitzer, Ärzte, Rechtsanwälte, Notare“, erzählt Herzog. Wenngleich er feststellt, dass die Eintracht und der FSV Frankfurt, die Bayern, der 1. FC Nürnberg und die SpVgg Fürth „mit circa 10 Prozent jüdischen Mitgliedern weit über dem Reichsdurchschnitt lagen. Viele Juden fanden in den bürgerlichen Sportvereinen eine Heimat – bis 1933“, erklärt der Wissenschaftler.
Und Herzog nähert sich dem Thema auch noch auf eine andere Weise: „Der Titel ,Über den Geist des Kapitalismus im Fußball’ verrät es schon: Es ist die wirtschaftshistorische Methodik. Rothschild und Meyers stammen aus Unternehmerfamilien und haben selbst unternehmerisch gehandelt.“ Die beiden Vorsitzenden waren erfolgreiche Firmeninhaber. „Diesen Geist haben sie dem Fußballsportverein Frankfurt eingehaucht.“
Markwart Herzog geht von einer Kommerzialisierung des FSV aus
Doch mit ihrer Art, den Fußball zu kommerzialisieren, waren sie ihrer Zeit weit voraus – was damals sogar Leben kosten konnte: „Der DFB war strikt dagegen, er hielt am Amateurismus fest, deshalb die scharfen Konflikte zwischen dem nationalen Fußballverband und Rothschild. Das war genau in der Zeit, als Schalke von einem DFB-Gericht der Entlohnung von Spielern überführt worden war, diese Spitzenmannschaft zur Strafe aus der Liga eliminierte und der Schatzmeister sich das Leben nahm“, berichtet Herzog. Heute ist von Sportverbänden kaum Gegenwehr gegen die Kommerzialisierung des Fußballs zu erwarten – ganz im Gegenteil.
Die Fans des FSV sind offenbar nicht so begeistert
Doch Widerstand bekommt Herzog in der Sache von den Fans, berichtet er: „Sie sind nicht erfreut, dass die von ihnen verehrten jüdischen Funktionäre der Überzeugung waren, dass Geld den Sport generell und das Spiel mit dem runden Leder speziell ganz entscheidend verbessert und unternehmerisches Handeln sowie Kommerzialisierung dem Sport ungeahnte Entwicklungsmöglichkeiten erschließt.“
Herzogs Vortrag ist zusammen mit einigen anderen Texten von der Tagung bereits online zu lesen – und alle Beiträge sollen in heuer in „Soccer & Society“ erscheinen – als Sonderband zum 25. Jahrgang der Zeitschrift.
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