Rund 60 Teilnehmende fanden sich am Samstagabend am „Sonnenhof“ in Mauerstetten ein, um der Opfer der Pogromnächte im Jahr 1938 zu gedenken. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Kaufbeuren, Paul Meichelböck, hatte zusammen mit anderen Gruppen und Initiativen, wie den Omas gegen Rechts, dazu eingeladen.
Ziel war der KZ-Friedhof für jüdische Zwangsarbeiter im Ortsteil Steinholz. Schon auf dem Weg durch die neblige Nacht fand ein reger Gedankenaustausch zwischen den Anwesenden statt. Einige Gäste konnten von persönlichen Geschichten aus ihrer Familie erzählen, die die Vorgänge in jener Zeit belegten.
Menschheit als Familie – niemand darf ausgegrenzt werden
In der Gedenkstätte angekommen, begrüßte Meichelböck die Teilnehmenden und verglich die Menschheit mit einer Familie. Diese schließe jeden ein und würde niemanden ausgrenzen. Meichelböck erinnerte weiter an die Verantwortung insbesondere der Deutschen aus ihrer Geschichte, mit aktuellem Bezug zu den Themen Asylsuchende, dem Nahostkonflikt und den Vorgängen rund um die JVA Gablingen.
30 Jahre Erinnerungsarbeit: Mahnung für alle Bürger
Als zweiter Redner trat der Oberbürgermeister der Stadt Kaufbeuren, Stefan Bosse, auf. Er dankte seinem Vorredner für 30 Jahre Erinnerungsarbeit, die eine Mahnung für alle Bürger sein müsse. Bosse sah auch gewisse Parallelen zwischen der Wiederwahl des zukünftigen amerikanischen Präsidenten, Donald Trump, und den Entwicklungen im Dritten Reich vor dem Jahr 1938. Er verwies unter anderem darauf, dass Trump von einer großen Mehrheit des Volkes bewusst gewählt worden sei. Seine Wähler hätten sich eine Verbesserung ihrer persönlichen Situation versprochen, die sie als schlechter als in den Jahren zuvor empfänden. Dafür nähmen sie auch bewusst Lügen und Diskriminierung von Minderheiten in Kauf.
Nach einem kurzen Musikstück übernahmen die beiden Hauptredner das Mikrofon. Der SPD-Stadtrat und Beauftragte der Stadt Kaufbeuren für eine offene Gesellschaft, Martin Valdés-Stauber, sprach mit Daniel Grossmann aus München. Grossmann ist Leiter des Jewish Chamber Orchestra Munich und selbst Jude.
Erinnerungsarbeit – nicht bloß ein Ritual
Grossmann, Jahrgang 1978, in Deutschland geboren und hier lebend, ist Nachfahre von ungarischen Juden, die vor dem Kommunismus von dort flüchteten. Er berichtete von seinen Erfahrungen in seiner Kindheit, als er nicht darüber sprechen sollte, dass er Jude sei. Er empfinde die deutsche Erinnerungskultur mittlerweile als sehr positiv, wies aber auch darauf hin, dass diese nicht nur zu einem Ritual werden dürfe. Mit Blick auf den Verlust der Generation, die die Vorgänge von damals noch persönlich miterlebt hätten, forderte Grossmann eine Umstellung der Erinnerungsarbeit auf andere, lebendige Formen.
Staat Israel darf nicht mit dem Judentum gleichgesetzt werden
Er bedauerte, dass aktuell viele Menschen jüdisches Leben und jüdische Kultur mit dem Vorgehen des Staates Israel im Nahen Osten gleichsetzen würden. Dies würde der Sache nicht gerecht werden.
Valdés-Stauber sah, in Anlehnung an sein künstlerisches Schaffen, „Erinnerung als Arbeit für die Gegenwart“. Er dankte den Anwesenden als eine Versammlung der „Aufrechten“. Die Mitte der Gesellschaft müsse sich den aktuellen Entwicklungen entgegenstellen, um aufkeimenden Antisemitismus und Diskriminierung anderer Menschen wieder zu verhindern.
Beide Redner waren sich einig, dass jüdisches Leben, jüdische Kultur lebendig sei. Ziel müsse unter anderem sein, dieses Leben und die Kultur wieder sichtbar zu machen in unserer bunten, offenen Gesellschaft.