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In der Kaufbeurer Kirchenmusik endet eine Ära: Schon vor 36 Jahren wusste er: „Das wird eine gute Sache“

In der Kaufbeurer Kirchenmusik endet eine Ära

Schon vor 36 Jahren wusste er: „Das wird eine gute Sache“

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    Großer Bahnhof zum Abschied von Traugott Mayr (vorne, Mitte) in der Kaufbeurer Dreifaltigkeitskirche. Das Bild zeigt ihn zusammen mit Ehefrau Helga und Sohn Lukas (vorne), den von ihm geleiteten Chören sowie (zweite Reihe, von links) Kirchenrat Wolfgang Böhm, Monika Ludwig (Mitglied der Landessynode), Oberbürgermeister Stefan Bosse und (zweite Reihe, von rechts) Pfarrerin Dorothée Stürzbecher-Schalück, Pfarrer Jost Herrmann, Pfarrerin Barbara Röhm und Dekanin Dorothée Löser.
    Großer Bahnhof zum Abschied von Traugott Mayr (vorne, Mitte) in der Kaufbeurer Dreifaltigkeitskirche. Das Bild zeigt ihn zusammen mit Ehefrau Helga und Sohn Lukas (vorne), den von ihm geleiteten Chören sowie (zweite Reihe, von links) Kirchenrat Wolfgang Böhm, Monika Ludwig (Mitglied der Landessynode), Oberbürgermeister Stefan Bosse und (zweite Reihe, von rechts) Pfarrerin Dorothée Stürzbecher-Schalück, Pfarrer Jost Herrmann, Pfarrerin Barbara Röhm und Dekanin Dorothée Löser. Foto: Michaela Kugler

    „Als ich als Kind eine Schallplatte mit dem Klavierkonzert von Robert Schumann hörte, habe ich mich sofort in sie verliebt“, erzählt Traugott Mayr. Seine Leidenschaft für das Instrument war entfacht. Zwar sei er in einer sehr musikalischen Familie groß geworden, alle fünf Geschwister hätten mehrere Instrumente gespielt, nur ein Klavier habe es leider nicht gegeben. Doch drei Lehrerinnen aus dem Bekanntenkreis hätten seine Begeisterung und seine Motivation erkannt und so zog ihr Klavier in das Haus der Mayrs ein. „Von da an habe ich Stück für Stück gelernt.“ Der regelmäßige Besuch der Gottesdienste in der Augsburger St.-Anna-Kirche habe seine Vorstellung vom Musizieren in einem Gotteshaus stark geprägt. „Es war ein Zauber, als sich dieser traumhaft schöne Raum mit Musik gefüllt hat,“ schwärmt Mayr noch heute. Schon damals sei ihm klar gewesen, dass er die Musik zum Beruf machen will.

    Der Kaufbeurer Kantor Traugott Mayr ist gelernter Elektriker

    Auf Wunsch der Eltern absolvierte er aber zunächst eine Ausbildung zum Elektriker. Das anschließende Studium der Elektrotechnik brach er jedoch ab und begann 1981 an der Musikhochschule in München Kirchenmusik zu studieren. Ergänzend folgte das Studium „Konzertfach Orgel“. Im Herbst 1988 bewarb sich Mayr dann für die Stelle als Kantor an der Dreifaltigkeitskirche in Kaufbeuren. „Ich war mir schnell sicher: Das wird eine gute Sache.“ Im Januar 1989 nahm er seine Arbeit in der Wertachstadt auf.

    Sein erstes großes Konzert war das „Oster-Oratorium“ von Johann Sebastian Bach. Als einen ersten Glanzpunkt seiner beruflichen Laufbahn nennt Mayr die „h-Moll-Messe“ von Bach. „Das war ein anspruchsvolles Projekt, das viel Kondition vom Chor verlangt hat. Ich habe es deshalb auf zwei Jahre verteilt.“ Auch Bachs sämtliche Orgelwerke, die der Kaufbeurer Kantor bei insgesamt 17 Konzerten interpretiert hat, blieben nicht nur ihm in Erinnerung. Die Gründung des Vokalensembles The Blue Notes im Jahr 2004 dürfe in der Aufzählung ebenfalls nicht fehlen. Im selben Jahr erhielt Mayr den Kulturpreis der Stadt Kaufbeuren.

    Bei seinem letzten offiziellen Einsatz als Kantor hatte Traugott Mayr sowohl am Dirigentenpult als auch an der Orgel jede Menge zu tun.
    Bei seinem letzten offiziellen Einsatz als Kantor hatte Traugott Mayr sowohl am Dirigentenpult als auch an der Orgel jede Menge zu tun. Foto: Harald Langer

    Als „sein Baby“ bezeichnet Mayr die 2013 neu erbaute Seifert-Orgel in der Dreifaltigkeitskirche. In dem Instrument, das sich am Typus der Süddeutschen Barockorgel orientiert, stecke sehr viel Herzblut - sowohl seines als auch das der Orgelbauer. „Uns war es ein Anliegen, ein Instrument für Barockmusik zu schaffen, das uns aber auch erweiterte Möglichkeiten für romantische und moderne Musik bietet.“ Als Gastmusiker habe Mayr aber auch andernorts auf beeindruckenden Orgeln gespielt: „Eine musikalische Zeitreise habe ich zum Beispiel auf der Orgel in der Nieuwe Kerk in Amsterdam erlebt. Ein einzigartiges Gefühl, auf einer Orgel, die um 1600 erbaut wurde, zu spielen.“

    Die Begeisterung für seinen Beruf wird immer wieder deutlich, wenn Mayr aus den vergangenen Jahrzehnten berichtet: „Wenn die Trompeten in Verdis Requiem ertönen, ist das schon ein Gänsehaut-Moment.“ Auch die „Missa gantz Teudsch“ von Michael Praetorius, sei ihm nicht nur wegen ihrer prachtvollen Gestaltung im Gedächtnis geblieben. „Das Aufführungsmaterial dafür habe ich selbst geschrieben. Es ist ein reizvolles Stück, das Elemente, die in jedem Gottesdienst gesungen werden, vereint.“ Es sei gleichzeitig auch das aufwendigste Konzert in all den Jahren gewesen, resümiert Mayr. Er sei mehr als dankbar, dass er all diese Projekte umsetzen durfte: „Das ist ein unglaublicher Reichtum an Erlebnissen und Erinnerungen.“

    Je näher der Abschiedsgottesdienst am vergangenen Sonntag näher rückte, desto mehr sei die Wehmut in den Vordergrund gerückt. „Meine Arbeit war immer sehr bereichernd, es wird mir schon vieles fehlen.“ Besonders der regelmäßige Kontakt zu den Chormitgliedern. „Das ist immer ein schönes Miteinander gewesen.“ Vermissen werde er auch das Orgelspiel zu „Stille Nacht“, das die Gemeinde in der Christvesper am Heiligen Abend gemeinsam singt. „Es ist der Wahnsinn, es gibt kaum ein Lied, das die Stimmung so transportiert.“

    Was Traugott Mayr im Ruhestand vorhat

    Trotzdem freue er sich aber auch auf seinen Ruhestand. „Endlich habe ich nun mehr Zeit für meine Familie.“ Seine Frau Helga und sein Sohn Lukas hätten in all den Jahren oft auf ihn verzichten müssen - etwa stets auch am Heiligen Abend. Langweilig werde es ihm sicher nicht werden. Mayr möchte nun wieder mehr Klavier spielen, in skandinavische Länder reisen, kochen oder mit seinem Kajak die Allgäuer Seen erkunden. Ab und zu gönne er sich auch weiterhin eine gute Zigarre als Inspirationsquelle. Denn wie habe schon Franz Liszt gesagt: „Eine gute Zigarre verschließt die Tür zu den Gemeinheiten des Lebens und beflügelt die Gedanken in besonderer Weise.“

    Beflügelt hat ihn schließlich auch der Abschiedsgottesdienst, bei dem er nochmals die über 100 Mitglieder seiner Ensembles, der Kantorei der Dreifaltigkeitskirche und The Blue Notes, musizierend um sich hatte und bei dem seine Verdienste von hochkarätigen Vertretern der evangelischen Kirche in der Region gewürdigt wurden.

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