Nur sein offizieller Titel „Bildungsreferent“ der Diözese Augsburg, den er 45 Jahre lang innehatte, wird Johannes Reich nicht gerecht. Der 71-Jährige aus Altenstadt bei Schongau war auch im Beirat sowie Vorstand und alternierender Vorsitzender im Verwaltungsrat der AOK Kaufbeuren-Ostallgäu. Ein Wirkungsbereich, den er dieser Tage nun endgültig aufgibt, da er nicht mehr bei den entsprechenden Wahlen antritt. Zudem wirkte Reich als Vorsitzender im Kassenverband Schwaben, als Diözesanvorsitzender der Christlichen Arbeiterhilfe und, und, und.
„Ach, engagierte Leute schaffen das schon“, antwortet Reich lachend er auf die Frage, wie man so viele Ämter unter einen Hut bekommt. „Man braucht nur einen guten Terminkalender.“ Soziales Engagement wurde dem überzeugten Katholiken bereits in die Wiege gelegt. „Ich war schon als Jugendlicher in der Kirche engagiert bei der kirchlichen Jugendarbeit. Mit knapp 22 war ich unter anderem drei Jahre Sekretär bei der Christlichen Arbeiter-Jugend.“
1972 ging er nach Augsburg und war bei der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) der Diözese Referent für Arbeits- und Sozialrecht, bis es ihn vier Jahre später nach Kaufbeuren verschlug. „1976 war die Stelle hier in Kaufbeuren frei und ich habe mich beworben.“ So waren es dann nur noch 25 Kilometer in seinen Heimatort anstatt 75. „Das war natürlich sehr weit, und ich spielte damals auch noch Fußball. Außerdem spiele ich bis heute in der Blaskapelle Tenorhorn und Bariton.“
Auch im (Un-)Ruhestand gibt Johannes Reich noch Schulungen
Er sei aber immer bei der Diözese Augsburg beschäftigt gewesen, betont Reich. „Bis 2004 war ich Referent für Arbeits- und Sozialrecht und Bildungsreferent, habe mich aber 2004 freistellen lassen für das kirchliche Arbeitsrecht.“ Ein Thema, das ihm auch heute noch am Herzen liegt. „Natürlich beschäftigt mich auch ganz allgemein, was in der katholischen Kirche passiert,“ sagt er. „Momentan ist der Fall einer Hebamme vor dem Europäischen Gerichtshof, die aus der Kirche ausgetreten ist und entlassen wurde.“ Reich hat da eine klare Meinung: „Ich kann ja kein Gleichstellungsgesetz haben, nach dem niemand wegen seiner Religionszugehörigkeit diskriminiert werden darf, und dann habe ich da eine Diskriminierung hoch drei.“ Auch seine Arbeit bei der AOK als Versichertenvertreter und Mitglied des Widerspruchsausschusses sei vom sozialen Gedanken geprägt gewesen. „Das Arbeits- und Sozialrecht füllt mich bis heute aus. Den Leuten zu ihrem Recht zu verhelfen, die Menschen zu unterstützen und zu begleiten“, nennt er als Motivation, auch jetzt im (Un-)Ruhestand noch Schulungen zu geben. „Man kann über viele politische Dinge reden und auch Forderungen stellen, aber manchmal braucht man eben ganz konkrete Hilfe.“
Trotz all der vielen Ämter fand Johannes Reich immer noch Zeit für seine Hobbys und auch Reisen mit der Familie. „Natürlich musste die Familie aber in manchen Dingen auch etwas zurückstecken,“ gesteht er – insbesondere mit Blick auf seinen heute 32-jährigen Sohn. „Da hat meine Frau die Verantwortung übernommen.“
Für sein Jahrzehnte langes Engagement bekam Reich 2018 das Bundesverdienstkreuz am Bande überreicht, und bei seiner Verabschiedung aus dem Arbeitsleben 2017 war auch Kardinal Reinhard Marx anwesend. Seitdem ist Reich offiziell Rentner und hat sich vorgenommen, es nun auch wirklich etwas langsamer angehen zu lassen. „Irgendwann muss man ein Stück abbauen.“ Aber: „Ich werde mich immer irgendwo engagieren. Ich habe schon von meiner Familie her den Begriff Solidarität und Gerechtigkeit mitbekommen. Mich hat daher immer der Einsatz für eine etwas gerechtere Welt geleitet.“