Die regionale Wirtschaft befindet sich mitten einem Konjunkturtief. Das zeigen auch die Erhebungen im Bundesverband der Gablonzer Industrie, deren Unternehmen einen durchschnittlichen Umsatzrückgang von 5,6 Prozent ausweisen. Ein leichtes Umsatzplus im Geschäftsfeld Schmuck habe den Rückgang im Bereich Technik nicht ausgleichen können, so Vorstandsvorsitzender Peter E. Seibt.
Gablonzer Industrie: Dunkle Wolken am Konjunkturhimmel
Die dunklen Wolken am Konjunkturhimmel haben sich damit bereits im vergangenen Geschäftsjahr gezeigt. Deutschland sei stark abhängig von internationalen Lieferketten und Exporten, sagte Seibt bei einer Pressekonferenz nach der Generalversammlung des Bundesverbandes, der etwa 50 Unternehmen in der weiteren Region vertritt. Dies gelte auch für Unternehmen der Gablonzer Industrie.
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Ursächlich sind laut Seibt Handelskonflikte und Kriege, die zu Lieferengpässen bei Rohstoffen und Halbfabrikaten, somit zu Produktionsausfällen führen. Das wieder drücke die Nachfrage in den betroffenen Branchen nach Zulieferteilen, Oberflächenveredelungen und Komponenten. Für Seibt und seinen Co-Vorsitzenden Wolfgang Schnabel, beide Unternehmer der Gablonzer Industrie für Schmuck-Fabrikate und touristische Produkte, sind aber auch nationale Einflüsse erkennbar. Als Beispiele nannten sie die schleppenden Umsetzung der Energiewende, fehlende Verlässlichkeit der Politik und die überbordende Bürokratie.
Die ersten Betriebe haben Kurzarbeit angemeldet
Jedes Jahr erhebt der Bundesverband die Zahlen unter ihren Mitgliedern auf freiwilliger Basis. Geschäftsführer Thomas Nölle betonte, dass es sich bei den Umsätzen lediglich um einen Durchschnittswert handelt. Zudem sei der Verband durch eine große Vielfalt bei den Produkten und den Unternehmensgrößen geprägt. "Der Wert lässt also keine Rückschlüsse auf die Entwicklung in einzelnen Unternehmen zu", sagte Nölle. Allerdings zeige sich, dass sich die Entwicklung vom abgelaufenen Geschäftsjahr derzeit fortsetze. Wie die Vorstandsvorsitzenden berichteten, hätten einige Betriebe bereits Kurzarbeit angemeldet.
Die Vorstandsvorsitzenden sprechen aus eigenen Erfahrungen
Die Verbands-Chefs sprechen zudem immer auch aus eigenen Erfahrungen. Wolfgang Schnabel, dessen Firma Artur Schnabel bereits 1905 in Gablonz an der Neiße gegründet wurde, ist mit seinem Unternehmen auf die Herstellung von Metallprägungen und Schleuderguss spezialisiert. Die Produkte finden sich vor allem in Souvenirgeschäften, im Modellbau und bei Trachtenfesten. "Wir spüren nach wie vor die Corona-Zeit", sagte er mit Blick auf die zahlreich ausgefallenen Veranstaltungen damals. Auch Peter E. Seibt, dessen Friedrich Seibt Glasfabrikation Knöpfe, Steine und Perlen seit 1929 fertigt, betont, wie sehr die glas-, kunststoff- und metallverarbeitenden Betriebe von Rohstoff-, aber auch Energiepreisen abhängig sind. Strom und Gas hätten sich seit Beginn des Ukraine-Kriegs massiv verteuert. "Höhere Produktionskosten mindern die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe", so Seibt. Nicht immer könnten die Kosten ohne Weiteres an die Kunden weitergegeben werden.
Zu den Aufgaben des Bundesverbandes für ihre Mitglieder zählen neben den Fachinformationen, dem Tarifwesen und individuellen Leitungen vor allem die Öffentlichkeitsarbeit. Im Zentrum dieser Tätigkeit steht die Erlebnisausstellung mit ihren Sonderschauen im Gebäude des Bundesverbandes in der Neuen Zeile in Neugablonz. Die mehr als 50 Vitrinen zeigen einen Querschnitt der Produkte aus den Betrieben der Gablonzer Industrie, darunter auch Exponate, die ersten nach vielen Jahren wieder an die Öffentlichkeit gelangen. Als aktuelles Beispiel dienten Thomas Nölle vier Glasobjekte des Studioglaskünstlers Dieter Klimek, der einst auch an der Schmuckfachschule unterrichtete.
Daten & Fakten zur Gablonzer Industrie
Entwicklung: 4000 Betriebe gab es Mitte der 30er Jahre im Verbund der Gablonzer Industrie, dem einst wichtigsten Wirtschaftszweig Nordböhmens(Tschechien). Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Vertreibung ließen sich Gablonzer Unternehmer bei Kaufbeuren nieder und bauten dort erneut ihren Firmenverbund auf.
Bundesverband: Als Klammer der vielen unterschiedlichen Unternehmen dient der Bundesverband, dessen Aufgaben weit über die einer Interessenvertretung hinausgehen. Unter anderem engagiert sich der Verband in der Ausbildung, bietet Vertriebsunterstützung und Fachinformation für seine Mitglieder. An der Spitze stehen die Vorstandsvorsitzenden Peter E. Seibt und Wolfgang Schnabel.
Erlebnisausstellung: Sie gilt als Aushängeschild der Gablonzer Industrie am Sitz des Bundesverbandes in Neugablonz. Sonderschauen geben der festen Ausstellung immer wieder ein neues Gesicht. Informationen unter www@erlebnisausstellung.info