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Kaufbeuren
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Kleinkunstbühne Podium in Kaufbeuren: besondere Fassung von „A Christmas Carol" von Charles Dickens

Ein Weihnachtsklassiker im Podium in Kaufbeuren

„A Weihnachtsg‘schicht“, die es in sich hat

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    Amelie Diana und Andreas Bittl spielten im Podium nicht nur mit verschiedenen Mundarten, sondern auch mit ihren Instrumenten und Stimmen.
    Amelie Diana und Andreas Bittl spielten im Podium nicht nur mit verschiedenen Mundarten, sondern auch mit ihren Instrumenten und Stimmen. Foto: Harald Langer

    Im voll besetzten Podium wurde die Adventszeit auf eine etwas andere Art eingeläutet: Amelie Diana und Andreas Bittl präsentierten in der Kaufbeurer Kellerbühne ihre sehr spezielle bairische Version des – leider immer noch aktuellen - Charles-Dickens-Stoffs „A Christmas Carol“. Bei ihnen heißt das Stück entsprechend „A Weihnachtsg‘schicht“.

    Nach einer unübersehbaren Anzahl von Bearbeitungen der Geschichte in Kinderbüchern, Filmen oder Musicals erlebte das Publikum die märchenhaft-optimistisch anmutende Story um den Turbo-Kapitalisten Ebenezer Scrooge aus dem 19. Jahrhundert nun auf bairisch-deftige Weise. Diana und Bittl erzählten sie zumeist in Münchnerisch-Altbairischer Mundart, machten aber auch gepflegt-gekonnte Ausflüge ins (Allgäu-)Schwäbische und ins Österreichische. Dabei übte diese Fassung aber nicht nur wegen ihrer lebendigen Dialektforschung (inklusive eines gut getroffenen italienischen Zungenschlags) einen besonderen Reiz aus. Dank der rundum versierten Protagonisten kam das Publikum voll auf seine Kosten.

    Dickens‘ Geschichte bietet eben nach wie vor viel Potenzial.. Da ist zum einen das Thema Kapitalismus - wohlgemerkt in seiner rücksichtslos-menschenfeindlichen Spielart - und die Erkenntnis, dass sich die ideologischen Gegenentwürfe dazu als mindestens ebenso menschenfeindlich erwiesen haben. Da ist zum anderen, dass dieser Stoff auf das Prinzip Hoffnung setzt, auf Besserung und Sinneswandel durch Einsicht. Etwas, nach dem sich wohl die meisten Menschen sehnen - gerade vor Weihnachten und insbesondere angesichts der aktuellen Weltlage.

    Bei der Aufführung im Kaufbeurer Podium heißt der Bösewicht nicht Scrooge, sondern Gschaftl

    Dazu kamen die authentischen Sprach- und Klangfarben der Diana-Bittl-Version, etwa die gelungene und sprechende Umbenennung der Figuren: Scrooge heißt Eberhard Gschaftl (ohne Huber, weil den hat er schon vor Jahren betrogen und aus der gemeinsamen Firma gedrängt). Dann gibt es den Buchhalter Niccoló von Saldo mit seiner (intakten) Familie, den Gschaftl durch die bewährten Mechanismen von wirtschaftlichem Druck und Angstmachen selbst an Weihnachten deftig und kräftig piesackt. Und da ist dann dieses nach Gschaftels Meinung völlig überflüssige Fest namens „Weihnachten“, in seinen Augen „a Schmarr‘n“ für sentimentale „Gutmenschen“.

    Doch dann findet der Sinneswandel zum Guten, zum Sozialen hin statt, der dem Gschaftl-Scrooge kraftvoll, krachert und bayrisch-direkt von den Geistern der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft nahegelegt wird. Schließlich muss der Hardcore-Grantler erkennen, dass sich dereinst niemand zu seinem Begräbnis einfinden wird, wenn er so weitermacht.

    Das alles wurde im Podium gelungen kombiniert mit netten Seitenhieben auf die Gegenwart und natürlich mit einem deftigen Wirtshaus-G‘stanzl-Gesang nebst meist authentischer Akkordeon-Begleitung. Dieser dominierte zwar, wurde aber auch erfrischend vielseitig durch einen erweiterten Mix aus alpenländischem Sound ergänzt. Selbst den Italo-Schlager „Felicitá“ oder Anklänge an Franz Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ konnte man heraushören. Zudem durfte das Publikum mitsingen – sowohl bei den G‘stanzln (es wurden dann doch nicht 84 Strophen wie augenzwinkernd angekündigt), als auch am Ende beim anrührend-zarten „Es wird scho glei dumpa“.

    In jedem Fall ging man ebenso beseelt-glücklich wie nachdenklich nach Hause, auch wenn es stimmte, was der Podium-Chef Peter Brosche zu Beginn angekündigt hatte: „Für alle, die nicht Bairisch verstehen, wird es ein schwieriger Abend, denn wir haben weder Simultandolmetscher noch Untertitel.“

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