Vielerorts wird in diesem Jahr an den Deutschen Bauernkrieg vor 500 Jahren erinnert. Doch Protest- und Aufstandsbewegungen im Gebiet des heutigen Bezirks Schwaben haben eine weitaus längere Tradition, wie nun bei der jährlichen Arbeitstagung der Heimatvereine, historischen Vereine, der Archive und Museen in Kloster Irsee deutlich wurde. Organisiert hat das Netzwerktreffen für historisch Interessierte wiederum der Historische Verein für Schwaben in Zusammenarbeit mit der Bezirksheimatpflege.
Die Schwaben gelten zwar eher als zurückhaltender Menschenschlag. „Doch es gab auch in unserer Region über die Jahrhunderte hinweg immer wieder Protestbewegungen, die ganz unterschiedliche Formen annahmen, mal friedlich, mal von Gewalt begleitet“, betont Felix Guffler, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bezirksheimatpflege, der gemeinsam mit Bezirksheimatpfleger Christoph Lang die Tagung konzeptioniert hatte. Rund 110 Interessierte zog das Thema „Protest, Aufstand, Revolte und Widerstand in Schwaben“ nach Irsee.

Chronologisch führten die Vorträge der Fachleute aus er gesamten Region vom schwäbischen Fehdewesen und den Zunftrevolutionen des 14. Jahrhunderts über die sogenannten „Tabakrevolten“, als es zu Protesten wegen Steuererhöhungen bei Konsumgütern kam, bis hin zu den schwäbischen Ausprägungen der „Deutschen Revolution“ 1848/49 und der Novemberrevolution 1918. Auch die jüngste Vergangenheit, als die Hippie-Kultur in das Allgäu kam und Neu-Ulm mit der „Langen Kette“ 1983 ein bundesweiter Treffpunkt der Friedensbewegung war, wurde beleuchtet. „Gerade der Vortrag von Leo Hiemer zu den Hippies im Allgäu, das Schlaglicht auf die Friedenskette und ein Zeitzeugengespräch zum Widerstand im Donauried gegen das geplante Atomkraftwerk führte zu lebendigen Diskussionen“, berichtet Guffler, „viele der Anwesenden konnten eigene Erlebnisse aus dieser Zeit einbringen.“
Protestbewegungen leben oftmals von charismatischen Personen
Protestbewegungen leben oftmals von charismatischen Personen: Gerhard Klein vom Stadtarchiv Immenstadt stellte Fidel Schlund, den Allgäuer Revolutionär, der die Monarchie abschaffen wollte, vor. Und Professor Klaus Wolf von der Universität Augsburg differenzierte zwischen Dichtung und Wahrheit rund um den Räuberhauptmann Matthäus Klostermayer, dem „Bayerischen Hiasl“. Den Aspekt des christlichen Widerstands gegen autoritäre Regime in Schwaben beleuchtete Jürgen Reichert, Vorsitzender des Historischen Vereins für Schwaben, am Beispiel des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, der um 1933 noch gegen den Nationalsozialismus eintrat, solange dies noch möglich war, und in der späteren Bundesrepublik DDR-Dissidenten, die einem anderen Unrechtssystem entkommen mussten, unterstützte.
Das Recht auf legalen Protest und freie Meinungsäußerung musste erkämpft werden
„Alle Beispiele verdeutlichen, dass es oftmals zu Protesten und Widerstand kam, wenn die Menschen den Eindruck hatten, ihnen widerfahre Ungerechtigkeit oder wenn sie sich nicht gehört fühlten“, so Gufflers Resümee. Auch in Bayerisch-Schwaben habe es über die Jahrhunderte hinweg immer wieder verschiedene Formen des Widerstands und des Protests gegeben, meistens um für eine Verbesserung der Lebensverhältnisse einzutreten. „Auch das lehrt uns die Geschichte: Das Recht auf legalen Protest und freie Meinungsäußerung, die zur Demokratie gehören, mussten in den vergangenen Jahrhunderten erkämpft und immer wieder verteidigt werden“, betont Reichert in seinem Veranstaltungsfazit.
Wissenschaftliche Tagung zum Bauernkrieg im März im Kloster Irsee
Die bedeutendste Revolution, die sich auch im bayerischen Schwaben abspielte, wird bei einer wissenschaftlichen Tagung im März gesondert beleuchtet: Zahlreiche Referenten werden vom Montag, 10., bis Mittwoch, 12. März, in der Schwabenakademie Irsee zum Thema „Bauernkrieg 1525 – Protagonisten – Medien – Erinnerungskultur“ sprechen.
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