Es ging um die göttliche Weisheit, es ging um die Gottesmutter Maria und es ging auch um Besinnung an diesem Abend im Kunsthaus Kaufbeuren. Aber das, was das Ensemble Per-Sonat umgeben von den Werken der Ausstellung „Liminal Zone - Zwischen Welten“ darbot, war beileibe kein Weihnachtskonzert. Sabine Lutzenberger (Gesang), Wolfram Oettl (Truhenorgel, Keyboard) und Martin Roos (Alphorn) schlugen musikalische Brücken zwischen dem 12. und dem 21. Jahrhundert, zwischen Natur und Geist und zwischen Musik und Philosophie.
Dreh- und Angelpunkt des Programms waren die Vertonungen geistlicher Texte, die der heiligen Hildegard von Bingen (1198 bis 1279) zugeschrieben werden. Lutzenberger trug Werke wie „O viriditas digiti dei“ (“O Lebenskraft des Fingers Gottes“), „O viridissima virga“ (“Du leuchtend grünes Reis“ als Symbol für Maria) oder „O vos angeli“ (“Ihr Engel“) brillant vor. Dabei gelang es der Sängerin, die Tonsprache des Mittelalters in ihrer Archaik, aber auch mit ihren durchaus extravaganten Koloraturen klar zu vermitteln. Die Akustik der kahlen Betonwände des Kunsthauses sorgte zudem für einen verblüffenden Kathedralenklang.
Experimentelle Neuansätze beim Konzert im Kunsthaus Kaufbeuren
Ein schönes Symbol auch für das Vorhaben, das die Instrumentalisten an diesem Abend erfolgreich verfolgten: experimentelle Neuansätze durch die Kombination von (ur-)alter und zeitgenössischer Musik. Da rückte Roos das Alphorn, durch seine reine Naturtondisposition eigentlich ein typisches Instrument der Vergangenheit, in ein hochmoderes Licht. Nach einem „Kühe-Reyen“, einer Schweizer Hirtenweise von 1700, erklang „Bergquell“ von Klaus Hinrich Stahmer (geboren 1941). Dabei wurden die zunehmend expressiven Alphornklänge von elektronisch verarbeiteten Geräuschen eines Bergbaches regelrecht umspült.
Oettl, der sein Keyboard ebenfalls symbolträchtig direkt auf seiner Truhenorgel platziert hatte, spielte dann „Music in contrary motion“ von Philip Glass. Ein typisches Werk der Minimal Music, das jedoch Bezüge zur mittelalterlichen Melodik aufweist. Der Interpret verstand es dabei, die Loops des Keyboards mit pointierten Bass-Akzenten der Orgel zu bereichern und so eine weitere Brücke zwischen den Zeiten zu schlagen.
Ein fordernder, aber begeisternder Abend
Dies gelang dann beim letzten Stück vollends. Denn Wolfram Oettls Komposition „O virtus Sapientiae, nach Hildegard von Bingen, 2024, für Stimme, Orgel, Keyboard, Alphorn“ nivellierte nicht nur die Grenzen zwischen den Epochen, sondern lotete auch die klanglichen Grenzen der Instrumente aus. Ein faszinierendes Cross-over-Stück und eine stimmige Quintessenz dieses Abends, der die mehreren Dutzend Zuhörer im Kunsthaus forderte, aber letztlich begeisterte.
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