Als die sogenannten Gastarbeiter nach Deutschland kamen, stieg auch in Kempten die Zahl ausländischer Bürger von 1961 bis 1973 um das Fünffache. Der damalige Stadtrat erkannte, dass eine vermittelnde Stelle zwischen Einheimischen und Menschen mit Migrationshintergrund wichtig wäre. 1974 wurde der Kemptener „Ausländerbeirat“ gegründet. Heute nennt sich das Gremium Integrationsbeirat und ist einer der ältesten Bayerns. Anlässlich des 50-jährigen Bestehens feierten Vertreter der Stadt sowie aktive und ehemalige Mitglieder des Beirats in der Schrannenhalle des Rathauses. Dabei ging es auch um die aktuelle Stimmung in der Gesellschaft.
Gründerin des Haus International in Kempten inspirierte Helfer vor 50 Jahren
„Am Anfang war nichts“, blickte Rudi Goschler, ehemaliger Geschäftsführer des Haus International, auf die Anfänge der Integrationsarbeit zurück. Er berichtete, wie ihn die bereits gestorbene Inge Nimz, Gründerin des Haus International, inspirierte: Sie habe erkannt, dass man sich um zugezogene Menschen aus dem Ausland kümmern müsse und nahm Kontakt mit zuständigen Stellen in der Stadt auf. „Sie hatte Weitsicht“, betonte Goschler. Auch ein zweiter Name dürfe nicht vergessen werden, ergänzte Siegfried Oberdörfer, ehemaliger Vorsitzender des Integrationsbeirates: Klaus Hackenberg. „Er hatte erkannt, welche Probleme es für Asylbewerber gab.“
Bis heute gebe es Nachholbedarf, was die vollständige gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund angehe, betonte Oberdörfer. Er äußerte sich auch zur aktuellen Debatte über das Haus International, das „immer noch eine große Bedeutung hat“. Es müsse aber „ein neues Konzept her mit einer neuen Raum- und Personalplanung. Dann kann man über die Finanzierung reden“.
Ehemaliger Chef des Haus International in Kempten warnt vor rechtsradikalen Tendenzen
Zur aktuellen Lage der Integrationsarbeit äußerte sich Goschler. Diese gleiche einer „Sisyphusarbeit“, wenn in der politischen Diskussion fremdenfeindliche Töne wieder lauten werden wie momentan. Das sei „demotivierend“. Er warnte vor rechtsradikalen Tendenzen und appellierte eindringlich, „weiterzukämpfen, dass wir das Ziel einer friedfertigen Gesellschaft eines Tages erreichen“.
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Auch aktive Beiratsmitglieder gingen auf die momentane Situation ein: „Die gesellschaftliche Stimmung fordert gerade alle heraus“, sagte Abdulrahman Alshalaby. Themen wie etwa Schwierigkeiten, eine Wohnung zu finden, beschäftigten Menschen mit Migrationshintergrund. Diese täten sich oft noch schwerer als Einheimische, eine Bleibe zu finden, ergänzte Sabine Fixmer. Auch Nachteile im Bildungswesen seien noch vorhanden.
Appell für ein respektvolles Miteinander in Kempten
Angesichts der nach wie vor nötigen Integrationsarbeit appellierten Ilknur Altan, Integrationsbeauftragte des Stadtrates, und Zweiter Bürgermeister Klaus Knoll, der den erkrankten OB vertrat, sich weiter für ein respektvolles Miteinander einzusetzen.
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