Messen haben in Kempten eine lange Tradition. Die Allgäuer Festwoche gilt seit 1949 als Schaufenster der Region. In den 1950er Jahren dominierten dort Angebote rund um die Landwirtschaft, so ähnlich wie bei der Agrarschau in Dietmannsried, die an diesem Donnerstag startet. Die erste derartige Messe gab es in Kempten bereits 1909, damals nördlich der Orangerie auf dem Gelände der späteren Prinz-Franz-Kaserne.
Heimatforscher Franz Abele aus Heiligkreuz beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Geschichte der Stadt und der Landwirtschaft. Zu seinen Schätzen gehört ein Ausstellungskatalog von 1909: „Die 44. Wander-Versammlung bayerischer Landwirte ging vom 23. bis 26. Mai.“ Auf dem weitläufigen Gelände mit sechs Hallen waren insgesamt 114 Firmen vertreten: „Die kamen bis aus Berlin, Leipzig und Plauen.“
1909 gab es bei der Messe in Kempten im Milchzelt 200 Käsesorten von 150 Firmen
Bürgermeister Hofrat Adolf Horchler saß mit den Stadträten Konditor Ernst Elhardt und Architekt Ambros Madlener im Organisationskomitee. Im Festausschuss war mit Ökonomierat Ott aus Eggen auch der Vorsitzende des Milchwirtschaftlichen Vereins Allgäu. „Im Milchzelt gab es 200 Käsesorten von 150 verschiedenen Firmen“, hat Abele nachgezählt. Die Eintrittskarte kostete damals 50 Pfennig.
Zu den Anbietern gehörte Josef Dreher aus Kempten mit einem Laib Winter-Emmentaler von der Sennerei Wirlings oder Theodor Feneberg mit einem Winter-Emmentaler von der Sennerei Linggen. Der königlich bayerische Hoflieferant Karl Hoefelmayr hatte Edelweiß-Camembert dabei und August Elhardt präsentierte Sommer- und Winter-Emmentaler der Sennerei Ursulasried sowie Stangenkäse und Limburger von der Sennerei Herbisried.
Stoffe zur Herstellung von Jaucheschläuchen
Zu den Ausstellern aus Kempten zählte vor 116 Jahren Johann Biechteler mit seiner Eisenhandlung. Er zeigte beispielsweise eiserne Heinzensprossen, Jauchepumpen und Kassenschränke. Kaufmann Max Oberpaur hatte Stoffe zur Herstellung von Jaucheschläuchen im Angebot. Valentin Scharbach verkaufte Einkochapparate, Flaschenreinigungsapparate und Gartenfiguren.
Seilermeister Fritz Dumreicher handelte mit Stricken für den landwirtschaftlichen Bedarf. Der Sanitätsbedarf Alois Heberle hatte tierärztliche Gegenstände dabei und Spenglermeister Siegfried Geidner zeigte Abrahmkannen und Model. Mit einer vierrädrigen Feuerspritze war die Kemptener Firma Theodor Wohlfart vertreten.
Landwirtschaftliche Literatur der Kösel‘schen Buchhandlung
Die Metallgießerei Andreas Hirt hatte Kuhschellen und Kapellenglocken mitgebracht. Die Kösel‘sche Buchhandlung war mit land- und milchwirtschaftlicher Literatur dabei. Die Eisenhandlung von Franz Tröger bot Drahtgeflechte, Pumpen, Viehtränkanlagen und landwirtschaftliche Handgeräte an. Johann Abt stellte als geprüfter Huf- und Wagenschmied Hufbeschlagartikel für „normale und fehlerhafte Hufe“ vor. Außerdem warb er für moderneren Wagenbau und Bremsvorrichtungen. Deutlich größer waren die Grasmähmaschinen und Heuwender von Schlossermeister Alfred Ehlhard aus Kempten.
Winterschule aus Immenstadt stellt Hirtenhütte mit Krankenstall auf
Neben der Agrarausstellung zwischen Orangerie und Friedhof gab es gleichzeitig noch eine Kreis-Fischerei-Ausstellung im Kornhaus. Gezeigt wurden auch Wildbachverbauungen im Oberallgäu, beispielsweise im Warmatsgund. In Halle fünf stellte die königliche landwirtschaftliche Winterschule aus Immenstadt eine Hirtenhütte mit Krankenstall auf. Die Einrichtung stammte aus einer Galthütte im Hintersteiner Tal.
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Für das leibliche Wohl war auch gesorgt. In der Festhalle schenkte die Aktienbrauerei Kempten (heute Allgäuer Brauhaus) Exportbier aus. Gleichzeitig warb sie für ihren Stiftskeller: „Großartiges Kelleretablissement, drei Minuten vom Ausstellungsplatze entfernt“.
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