Mechthilde Wittmann (53) tritt als Direktkandidatin im Wahlkreis Oberallgäu, zu dem auch die Stadt Kempten und das Westallgäu gehören, bei der Bundestagswahl an. Im Interview spricht sie über Tourismus, Klimaschutz und Landwirtschaft. Und darüber, was sie vom Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet hält.
Frau Wittmann, „Heimat genießen, Heimat vertreten“ lautet der Slogan auf einem Ihrer Wahlplakate. Wie sehen Sie sich als Nicht-Allgäuerin in der Lage, die Region in Berlin zu vertreten?
Mechthilde Wittmann: Nicht aus dem Allgäu zu stammen, ist ja kein Ausschlussgrund, die Region mit ganzem Herzen vertreten zu können. Gerd Müller ist auch nicht hier geboren. Entscheidend sind doch der Mensch und die Kompetenz. Das Allgäu ist mir längst zur Heimat geworden.
Haben Sie vor, Ihren Lebensmittelpunkt ins Allgäu zu verlegen?
Wittmann: Ich lebe de facto schon im Allgäu, habe hier einen Wohnsitz. Ich kann mich aber erst ummelden, wenn ich meine Arbeit am Flughafen München nicht mehr ausführe. Ich bitte aber um Verständnis, dass meine beiden Töchter ihre Schulen in München, in ihrem gewohnten Umfeld beenden, betreut von Oma und Leihoma. Am Wochenende werden meine Töchter ebenfalls in Kempten sein.
Und Ihre derzeitige berufliche Tätigkeit am Flughafen München? Geben Sie die auf, wenn Sie gewählt werden?
Wittmann: Ja. Ich überlege derzeit, mit einem Anwaltskollegen dann eine Rechtsanwaltskanzlei in Kempten zu eröffnen. Diesen Plan gab es schon vor der Nominierung.
In München haben Sie Ihr Landtagsmandat 2018 knapp gegen Benjamin Adjej von den Grünen verloren. Warum sollten die Allgäuerinnen und Allgäuer Sie jetzt nach Berlin wählen?
Wittmann: Weil ich in München nicht als Person abgewählt wurde. Das haben die Erststimmen bewiesen. Der Trend ging Richtung Grün. Und weil ich in Berlin all meine Kompetenz und Kraft fürs Allgäu einsetzen will.
Welche Werte sind Ihnen wichtig?
Wittmann: Ehrlichkeit, auch wenn ich manchmal zu ehrlich und dann womöglich verletzend rüberkomme. Und Zuverlässigkeit. Was ich gar nicht ausstehen kann, sind Lügen und Heuchelei.
Wo sehen Sie Handlungsbedarf in Ihrem Wahlkreis?
Wittmann: In der Landwirtschaft, im Tourismus und in der Energiepolitik. Beim Tourismus müssen wir mehr auf die Grenzregionen schauen und ein gemeinsames Instrument in den Regulierungen entwickeln. In der regionalen Energiepolitik müssen wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) neu aufbauen. Mit Maß und Ziel könnten in der Region auch weitere Windräder entstehen.
Wo zum Beispiel?
Wittmann: Das muss geprüft werden. Im Süden eher nicht.
CSU-Kandidatin Mechthilde Wittmann: Das sagt sie zu den Themen Landwirtschaft und Düngeverordnung
Landwirtschaft ist im Wahlkampf eines Ihrer zentralen Themen. Was konkret wollen Sie für die Allgäuer Landwirte in Berlin erreichen?
Wittmann: Die Düngeverordnung muss kleinteiliger gelöst werden. Auch wenn hier die EU nicht mitspielt, gebe ich nicht auf. Genau hinschauen muss man auch bei der Anbindehaltung. Diese heißt im Allgäu nicht, dass die Tiere ausschließlich an einer Stelle im Stall angebunden sind. Meist sind sie im Sommer auf der Alpe. Aus meiner Sicht ist die Kombihaltung eine wichtige Form.
Was halten Sie von der Fridays-for- Future-Bewegung?
Wittmann: Das ist ein Privileg der Jugend mit guten Themen. Doch dabei sollte man glaubwürdig bleiben und sich nicht mit dem SUV zur Demo fahren lassen oder den Auslandsaufenthalt nach Neuseeland planen – wie ich es bei Klassenkameraden meiner Töchter mitbekommen habe. Insgesamt hat die Bewegung viel bewirkt und auch meine Partei aufgerüttelt.
Wie kann sich das Allgäu konkret am Klimaschutz beteiligen?
Wittmann: Durch die Forcierung der regionalen Energiegewinnung. Das heißt: Mehr Solaranlagen auf Dächern, regionale Biomasse-Kraftwerke, Offenheit für neue Technologien wie Solarziegel, synthetischen Kraftstoff weiterentwickeln. Aber alles mit Maß und Ziel.
Sind Sie bei Ihrem Parteichef Markus Söder, wenn er sagt: Es gibt keinen dritten Lockdown mehr? Wenn ja, wie kann dieser verhindert werden?
Wittmann: Einen Lockdown wie bisher wird es nicht mehr geben. Die Menschen stehen das nicht durch. Der Weg ist impfen und Vorsicht. Und ja, ich bin bei Söder, weil er mit dieser Aussage Mut machen will.
Sie waren Integrationsbeauftragte des Landtags. Sollte Deutschland Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen?
Wittmann: Auch wir werden Schutz gewähren müssen. Doch ich halte es für wichtig, die Flüchtlinge zunächst in der Nähe ihrer Heimat und ihres Kulturkreises unterzubringen.
Mechthilde Wittmann: "Ergebnis von Gerd Müller ist für mich unerreichbar"
Wie schätzen Sie Ihr persönliches Wahlergebnis ein? Ihr Vorgänger hatte 2017 über 50 Prozent?
Wittmann: Das Ergebnis von Gerd Müller – vor allem durch sein Ministeramt damals – ist für mich unerreichbar. Eine Prozentzahl kann ich deshalb nicht nennen.
Union und CSU liegen bei den Umfragen im Abwärtstrend. Wer CSU wählt, wählt auch Armin Laschet. Ist er der richtige Kanzlerkandidat?
Wittmann: Wer CSU wählt, wählt die Nadel im Fleisch der CDU. Aber ich muss eine Lanze für Laschet brechen – und ich bin wirklich ein kritischer Mensch. Er hat zwar nicht das bayerische Temperament, das viele anspricht. Doch er wird unterschätzt. Was er drauf hat, hat er als Ministerpräsident gezeigt.
Zur Person:
- Alter: 53
- Beruf: Rechtsanwältin, aktuell Chief Compliance Officer am Flughafen München
- Familienstand: Ledig, zwei Kinder, liiert mit Thomas Kreuzer.
- Partei: Seit 1983 Mitglied in der CSU, 1994 bis 2013 Stadträtin in München, 2013 bis 2018 Landtagsabgeordnete (über die Liste gewählt), dort Mitglied im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie regionale Beziehungen, im Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen, im Parlamentarischen Kontrollgremium sowie Vorsitzende des Untersuchungsausschusses. 2018 Integrationsbeauftragte der bayerischen Staatsregierung.
- Ehrenämter: Ehrenrätin im Klub Bayerischer Gebirgsschweißhunde, im CSU-Kreisvorstand Kempten und -Bezirksvorstand Schwaben. Alle Münchner Vereins- und Ehrenämter hat sie eigenen Angaben zufolge durch den Wechsel nach Kempten aufgegeben.
Andere Kandidaten für den Wahlkreis 256:
- Stephan Thomae (FDP): "Über Posten gibt es noch keine Diskussionen."
- Martin Holderied (SPD): "Es ist Zeit für einen Generationenwechsel."