„Es geht uns noch ganz gut“, resümierte der Kemptener Lebenshilfe-Vorsitzender Bernhard Schmidt bei der Mitgliederversammlung. Und das, obwohl sich die Auswirkungen der Corona-Krise personell immer noch „heftig“ auswirkten. „Wir hoffen aber“, so ergänzte Geschäftsführerin Christine Lüddemann, „dass wir im Frühjahr beispielsweise unsere 15. Gruppe in der Heilpädagogischen Tagesstätte (HPT) wieder öffnen können. Allerdings ist es so: Wir können weder im Wohnbereich noch in der HPT grundsätzlich einen Platz garantieren.“
Wichtig war dem Vorstand und der Geschäftsleitung auch, deutlich Flagge zu zeigen: „Wir haben einen Grundsatzbeschluss, dass wir uns politisch neutral verhalten. Es hat aber in dieser Zeit entwürdigendes Gedankengut gegen Menschen mit Behinderung gegeben. Dazu werden wir uns als Verein künftig äußern, es nicht einfach hinnehmen“, betonten Schmidt und Lüddemann unter Beifall.
"Systemsprenger" benötigen intensive Betreuung
Integration und Inklusion seien Daueraufgaben – und blieben auch künftig wichtig. Hier kritisierte Lüddemann, dass die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes an Bürokratie und Unterfinanzierung kranke. Zudem ändere sich die Klientel, mit der die Lebenshilfe Kempten zu tun habe. Es gebe beispielsweise immer weniger Menschen mit Down-Syndrom, dafür aber mehr „Systemsprenger“, die durch auffälliges Aggressionsverhalten eine viel intensivere personelle Betreuung benötigten und nicht immer in Gruppen integrierbar seien.
Der Bezirk hat noch keine Antworten
„Der Bezirk kennt unsere Not, hat aber auch keine Antwort. Es gibt aktuell, auch in Kempten, zu wenig Förderstättenplätze.“ Vielleicht müsse man, wie in den Gründerjahren, wieder persönlich nach Augsburg und München fahren und Hilfe einfordern, zeigte sich Lüddemann kämpferisch.
Die Bilanzsumme der Lebenshilfe Kempten belief sich 2023 auf knapp 25 Millionen Euro. Bernhard Schmidt erläuterte: Gemeinsam mit den Allgäuer Werkstätten gehe es um eine Bilanzsumme von über 50 Millionen Euro bei mehr als 1000 Mitarbeitenden. „Damit sind Lebenshilfe und Allgäuer Werkstätten in Kempten und der Region sehr wohl auch ein wirtschaftlicher Faktor“, betonte er.
Im kommenden Jahr wird die Lebenshilfe Kempten 60 Jahre alt, die Allgäuer Werkstätten 50 Jahre. Anstelle eines großen Fests sind kleine Feierlichkeiten geplant, die insbesondere den Menschen mit Behinderung zugutekommen.
Kommission soll transparenten Vergabeprozess sichern
Ein weiterer Punkt war das Thema Wohnen. Inzwischen bietet die Lebenshilfe Kempten unterschiedlichste Wohnformen an, zum Beispiel für erwachsene Menschen mit geistiger oder seelischer Behinderung. Nicht jede Anfrage könne erfüllt werden, so Lüddemann. Die Entscheidung, wer einen freien Platz bekommt, treffe eine Wohnplatzvergabekommission. „Dadurch gewährleisten wir einen transparenten und gerechten Prozess.“