Mit einem kleinen blauen Kasten unter dem Sattel sind Studierende der Hochschule Kempten im Frühjahr Straßen auf und ab gefahren. Darin versteckt: Sensoren. Sie zeigen, ob Autofahrerinnen und Autofahrer genug Abstand zu Menschen halten, die auf dem Fahrrad unterwegs sind. Oder ob sie diese in Gefahr bringen. Nun stellt die Forschungsgruppe ihre Ergebnisse zusammen mit dem Fahrradclub ADFC vor.
Radfahrer und Studierende in Kempten machen Testfahrten
Die Messdaten seien an manchen Stellen schockierend. 65 Prozent der Laster, Autos und Motorräder unterschritten die innerorts vorgeschriebenen 1,5 Meter Abstand zum Beispiel in der Duracher Straße in Sankt Mang. Elektrotechnik-Student Jonathan Proksch (21) sagt: "Unter einem Meter wird es dann sehr unangenehm. Da fühlen sich selbst sichere Fahrer nicht mehr wohl."
Auch einige Mitglieder des Fahrradclubs nahmen am Versuch teil, Studenten statteten deren Räder mit dem "Open Bike Sensor" aus. ADFC-Vorsitzender Lutz Bäucker erzählt, dass einer der "Hardcore-Radler" lediglich 55 Zentimeter Abstand bei einer seiner täglichen Fahrten zur Arbeit entlang der Duracher Straße erlebt habe.
Hier halten Autofahrer besonders wenig Abstand
Ein teils rot unterlegter Fahrbahnrand mit weißer Trennlinie gibt Fahrradfahrern dort ihre Strecke vor. Zu sogenannten Radschutzstreifen sagt Prof. Dr. Thomas Zeh, der das Projekt an der Hochschule leitet: "Diese Streifen führen dazu, dass Autofahrer denken, es reicht wenn sie die Linie nicht überfahren. Doch dann kommen sie Radfahrern eher zu nahe." Oft fehle Platz, Radstreifen baulich zu verbreitern, ordnet Student Proksch ein. Durch schnelle, einfache Lösungen allerdings wird laut Bäucker falsche Sicherheit suggeriert. Als Positivbeispiel für Radwege-Bau nennt er die Verbindung, die entlang der Kemptener Straße in Immenstadt entsteht.
Diese Technik steckt hinter dem Open Bike Sensor
Um radpolitische Schlüsse gehe es den Studierenden in erster Linie aber nicht, erklärt Zeh. Sie sollen durch das Projekt praktisch umsetzen können, was sie im Studiengang Elektro- und Informationstechnik lernen. Hinter dem "Open Bike Sensor" stecke simple Technik, erläutert Zeh. Sensoren auf der linken und rechten Seite des Kästchens stellen den Abstand zu vorbeifahrenden Fahrzeugen per Ultraschall fest - ähnlich einem Rückfahr-Warnsystem im Auto.
Mikrocontroller und GPS-Modul im Inneren führen dazu, dass Daten gespeichert und später von Studierenden ausgewertet werden können. Sie entwickelten zum Beispiel eine Karte daraus und zeigen auf 100 Seiten Bericht, wo in Kempten die Lage für Radfahrer besonders gefährlich ist.
So will die Polizei die Messtechnik nutzen
Ein Brennpunkt sei die Immenstädter Straße, vor allem im nördlichen Teil ab der Kreuzung zur Haslacher Straße. Im südlichen Teil hingegen überholten die meisten Fahrzeuge laut den Messdaten Radfahrer mit einem Abstand von 1,5 Metern, manche sogar mit über zwei Metern. Student Fabian Schnalke (23) erklärt: "Bergab gibt es einen breiteren Radweg mit dicker weißer Trennlinie, deshalb der Unterschied." 1500 Überholvorgänge untersuchte die Gruppe allein in Kempten - auch in Buchloe und Memmingen waren Testradler für das Projekt unterwegs.
Bäucker fordert auf Grund dieser Ergebnisse deutlichere Abtrennungen für Radwege, wenn nötig etwa durch Mini-Poller. Außerdem wolle er eine gemeinsame Kampagne mit Stadt und Polizei auf den Weg bringen, die zum Abstandhalten aufruft. Polizeioberrat Robert Bischlager hofft, dass eine solche Messtechnik irgendwann auch für Kontrollen im alltäglichen Verkehr zum Einsatz kommen kann. Er sagt aber auch: "Die Unfallschwerpunkte in unserem Präsidiumsbereich liegen woanders. Besonders häufig kommen Radler bei Abbiege- und Vorfahrtsverstößen zu Schaden."