Die Sonne brennt auf den Asphalt. Mit bis zu 60 Stundenkilometer lenkt Philip Brettschneider den Rennwagen der Studierenden von Infinity Racing durch den Parcours, der durch bunte Hütchen abgesteckt ist. Seine Teamkollegen haben sich zur Sicherheit mit Feuerlöschern am Rande der Strecke bereitgestellt - falls das selbstgebaute Auto Feuer fängt. Runde um Runde legt Brettschneider zurück. Doch das Fahrgeräusch des Rennwagens wird zunehmend lauter. Co-Teamchef Jorit Körber schwenkt eine rote Fahne und Brettschneider hält unter einem Pavillon neben der Teststrecke an.
Auf einem Parkplatz in Kirchdorf an der Iller (Landkreis Biberach) trifft sich das Infinity Racing-Team der Hochschule Kempten zum Training. Im Schatten des Pavillons stehen die jungen Studierenden nun im Kreis um das schwarze niedrige Rennauto herum. In dieser Saison soll das Elektroauto von Infinity Racing zum ersten Mal auch autonom, ohne Fahrer, fahren können. Das wollen die Studierenden heute ebenfalls testen, erklärt Jorit Körber: „Wir müssen die Bremsen testen und ob das Auto auch schnell genug zum Stehen kommt.“
Mit dem eigenen Rennauto zu internationalen Wettkämpfen
Jeden Tag ist der 23-Jährige aktuell in der Werkstatt von Infinity Racing in Kempten und arbeitet mit seinen Teamkollegen am Rennauto. Da kommen schnell mal 60 Stunden in der Woche zusammen, sagt er. Diese Woche wird es nämlich ernst. Das Team fährt zum Hockenheimring, um dort bei Formula Student Germany teilzunehmen. Ein Wettkampf, bei dem rund 70 Teams von verschiedenen Hochschulen aus Deutschland und der ganzen Welt mit ihren Rennautos gegeneinander antreten. Gleich danach geht es für die Kemptener Studierenden weiter zum nächsten Wettkampf nach Frankreich – zu Formula Student France.
Bis zu 120 Stundenkilometer könne das Rennauto von Infinity Racing fahren. Bei den Events fahren die Teams dann meist rund 60 km/h wegen der schmalen Parcoursführung. Es gehe aber nicht nur darum, welches Team das schnellste Auto gebaut hat, erklärt Cedrik DeJarnatt, auch einer der Rennfahrer im Team: „Das Fahren ist nur eine von vier Disziplinen. Wir bekommen auch Punkte für den Businessplan und die Kostenaufstellung, die wir angelegt haben oder das Engineering Design.“ Bei Formula Student gewinne nicht das Team mit dem schnellsten Auto, sondern das Team mit den meisten Punkten insgesamt. Eine Woche dauern die Formula Student-Events, zu denen auch das Team der Hochschule Kempten anreist. Vor Ort schlafen sie in Zelten und abends kochen sie gemeinsam.
„Okay. Die Räder können hinten wieder drauf. 50 Newtonmeter nochmal nachziehen“, sagt Körber. Dann schiebt das Team das Auto an den Start der Teststrecke. DeJarnatt hat seinen Laptop mitgebracht und den nun mit einem Kabel verbunden, das aus dem Inneren des Autos ragt. Mit Sensoren und Platinen, die die Studierenden selbst entwickelt und im Wagen verbaut haben, können sie jetzt überprüfen, wie voll der Akku des Elektroautos ist, wie viel Strom aus dem Akku fließt oder wie schnell das Auto fährt. „Dadurch, dass wir alles selbst gebaut haben, können wir das jederzeit so anpassen, wie wir wollen“, sagt Körber.
Die Nachtschichten schweißen das Team zusammen
Über Sponsoren finanzieren die Studierenden den Bau des Autos. Rund 60.000 Euro fließen pro Saison durchschnittlich durch das Konto des Teams, erklärt der 23-Jährige. Am Bau sind knapp 60 Studierende aus allen Studienrichtungen der Hochschule Kempten beteiligt, sagt Körber, der selbst Energietechnik studiert. Wie es ist, selbst ein Auto zu bauen? „Wenn es dann nach einem Jahr so harter Arbeit das erste Mal richtig fährt, da liegt man sich dann schon auch in den Armen“, sagt der Co-Teamchef.
DeJarnatts Laptop liegt nun auf dem rechten Hinterreifen des Autos. Der Student kniet davor und schaut angestrengt auf den Bildschirm – etwas funktioniert nicht. „Das ist der Testalltag“, meint Körber: „Irgendetwas funktioniert nicht und dann müssen wir warten, bis das jemand von uns repariert hat, der sich damit auskennt.“ Ob das öfter vorkomme? „Immer“, meint Moritz Swetlik und lacht. Er hat bei Infinity Racing an der Elektronik im Auto mitgearbeitet und sitzt heute neben dem Pavillon in einem Sonnenstuhl: „Gerade dann, wenn wir am nächsten Tag zum Testen hierherfahren, müssen wir eigentlich immer eine Nachtschicht einlegen.“ „Aber die schweißen zusammen“, sagt Körber.
Zwar sei in dieser Saison geplant, bei Formula Student France aufs Podest zu fahren. Aber oberstes Ziel des Teams sei zunächst, mit dem Elektrorennwagen durch die technische Inspektion zu kommen, die zu Beginn der Formula Student-Events stattfindet. Jeder Wagen werde überprüft, bevor er für die Rennstrecke zugelassen wird. Dafür legen die Inspekteure das Rennauto zum Beispiel auf die Seite und prüfen, ob alles niet- und nagelfest ist, oder ob sich ein Teil löst und herausfällt. „Aber selbst dann, wenn wir nicht mit dem Auto fahren dürfen und nur über die anderen Disziplinen Punkte sammeln, haben wir beim Event trotzdem eine gute Zeit“, sagt DeJarnatt und Körber ergänzt mit einem Schmunzeln: „Und ein bisschen mehr Zeit zum Biertrinken.“
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