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Kinderlieder am Gartenteich - so proben die Allgäuer Chöre in Corona-Zeiten

Singen in Zeiten von Corona

Kinderlieder am Gartenteich - so proben die Allgäuer Chöre in Corona-Zeiten

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    Corona-Probe am Teich und mit viel Abstand: Der Viva-Chor singt im Garten seines Leiters Richard Willburger. Mücken inklusive.
    Corona-Probe am Teich und mit viel Abstand: Der Viva-Chor singt im Garten seines Leiters Richard Willburger. Mücken inklusive. Foto: Matthias Becker

    Chorsängerinnen und -sänger haben es nicht leicht in diesen Corona-Zeiten. Das Hygiene-Konzept des bayerischen Gesundheitsministeriums sieht für „Chorgesang im Bereich der Laienmusik“ unter anderem einen Zwei-Meter-Abstand und ein versetztes Aufstellen vor, „um Gefahren durch Aerosolausstoß zu minimieren“.

    Wie soll man so proben?

    Wie soll man bei diesen Abstandsregelungen proben? Das fragen sich Sängerinnen, Sänger und Chorleiter. Der Altusrieder U50-Chor ist seit gut einem halben Jahr nicht mehr zusammengekommen. Am 18. Oktober wollte er sein Jubiläumskonzert „Großes Kino“ aus dem Jahr 2019 in Wildpoldsried wiederholen, hat es aber abgesagt. „Es ist ein aufwendiges Programm, gesanglich wie szenisch“, sagt Vorsitzender Michael Juhas. Unter den gegebenen Umständen seien keine gemeinsamen Proben der 40 bis 45 Sängerinnen und Sänger möglich. Erst nach den Sommerferien stehe dem Chor ein großer Saal zur Verfügung. Nicht drinnen, sondern draußen, probt seit kurzem der Viva-Chor aus Dietmannsried – und zwar an einem idyllischen, heimeligen Fleckchen.

    Die Schönheit des Lindenbaumes besingen

    Sonntagabend vor Tagesschau und Tatort: Zehn Sängerinnen und zwei Sänger haben sich am Gartenteich von Chorleiter Richard Willburger aufgestellt. Es ist ein lauer, herrlicher Sommerabend und am Beginn der Open-Air-Chorprobe stehen Lockerungsübungen für die Stimmbänder. „Schaut doch mal die große Linde an und versucht, diese ganze Schönheit herauszusingen“, sagt Richard Willburger und deutet auf den großen Baum in seinem Garten.

    Viva-Chor hat normalerweise etwa 30 Auftritte pro Jahr im Allgäu

    Und dann geht es auch schon mit ersten gesanglichen Lockerungsübungen los, mit Kanons und Kinderliedern wie „Singen macht Spaß“ und „Heute ist ein Fest bei den Fröschen am See“, das perfekt zum Proben-Ambiente passt. 20 bis 30 Auftritte hat der Viva-Chor im Jahr, erzählt Willburger – etwa bei Gottesdiensten, Taufen, Firmungen, Hochzeiten und Beerdigungen. Nach langer Zwangspause wollte der 61-Jährige endlich wieder mit seinem Chor Proben und dachte sich die Open-Air-Probe am Teich aus.

    Seit gut drei Wochen probt der Kemptener Kirchenmusiker Benedikt Bonelli wieder mit dem Chor der Basilika St. Lorenz. Die 50 Mitglieder hat er in zwei Gruppen aufgeteilt und studiert mit diesen jeweils unterschiedliche Programme für Herbst und Winter ein. Hinsichtlich der Corona-Abstandsregeln passen nämlich nur etwa 25 Sängerinnen und Sänger in den Pfarrsaal von St. Lorenz. Fast alle ziehen mit, berichtet Bonelli. Durch den Abstand zueinander sei jeder mehr gefordert. „Bequem mitsingen geht nun nicht mehr“, sagt Bonelli. Das sei für ihn als Chorleiter aber auch der einzige „positive Nebeneffekt“ der Corona-Proben.

    Durch den Abstand hören sich die Sänger nicht

    Diese Erfahrung hat auch Anke Weinert-Wegmann gemacht. „Durch den Abstand hören sich die Sänger nicht oder eben nicht gut“, sagt die Wildpoldsriederin, die seit 2017 die drei Chöre der Kemptener Sing- und Musikschule leitet. Das sei für die Sänger aber auch eine Chance, mehr auf sich als auf den Nachbarn zu hören. Immer montags probt sie mittlerweile mit dem zwölfköpfigen Jugendchor, dem Madrigalchor und Collegium Vocale (jeweils bis zu 25 Mitwirkende) in der Sing- und Musikschule.

    Der Abstand kann im Probenraum eingehalten werden, sagt Weinert-Wegmann. Regelmäßig unterbricht sie das Singen, um zu lüften. Kurz vor dem Lockdown konnte sie mit ihren Sängerinnen und Sängern noch das Mozart-Requiem aufführen. „Ein Riesenglück. Bei zwei Meter Abstand macht ein Konzert aber keinen Sinn.“ Auch mit dem 26-köpfigen Männerchor Wildpoldsried trifft sie sich wieder. Der Probenraum in der Schule sei aber zu klein; stattdessen dürfen die 26 Männer die alte Schulturnhalle nutzen. Konzerte sind nicht geplant. „Wir proben ins Blaue hinein.“

    Der Zwei-Meter-Abend ist eine echte Herausforderung, sagt der Chorleiter

    Das Elias-Oratorium von Felix Mendelssohn Bartholdy wollten die Kantorei der St.-Mang-Kirche und das Collegium Musicum am 22. November aufführen. „Unter den jetzigen Bedingungen ist das eine Illusion“, sagt Kirchenmusikdirektor Frank Müller. Denn die Kantorei habe gut 80 Mitwirkende, das Orchester 45 Musiker. Ein Alternativprogramm im solistischen Bereich kann sich Müller vorstellen. Unter dem Motto „Abstandsoffenes Singen“ bietet er derzeit seinen Sängerinnen und Sängern regelmäßig Proben in sechs Gruppen an (10 bis 15 Personen). Dabei geht es auch um das Trainieren der Stimme und das Vom-Blatt-Singen. Sein Fazit: „Zwei-Meter-Abstand ist eine echte Herausforderung.“

    Das ist freilich auch das Singen am Gartenteich: Im Laufe der eineinhalbstündigen Probe, die Jutta Rüth an Djembe und Gitarre begleitet, werden die Sängerinnen und Sänger des Viva-Chors sicherer, selbstbewusster – und auch lauter. „Super“, findet Helga Bocionek aus Krugzell die Probe am Teich. „Bis auf die Mücken hier“, schränkt Gisela Reithmeyr aus Dietmannsried lachend ein. Und Ulrike Arnold aus Probstried ist glücklich, wieder in der Gruppe singen zu können – auch wenn durch den Abstand alles ein wenig ungewohnt ist.

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