Es gibt weiter viele Fragezeichen, aber auch einige neue Erkenntnisse, welche Rolle der damalige Kemptener Oberbürgermeister Dr. Otto Merkt während des Nationalsozialismus gespielt hat. Die Augsburger Historikerin Katrin Holly hat im Auftrag der Kommission für Erinnerungskultur der Stadt Kempten die bisherige Forschung und neue Quellen ausgewertet.
Demnächst erscheint ihr Gutachten im "Allgäuer Geschichtsfreund". Beim Bewegten Donnerstag präsentierte sie nun erste Ergebnisse: Unter anderem, dass Merkt bereits 1930, also vor Machtübernahme der Nationalsozialisten, die Zwangssterilisation von psychisch kranken Menschen vorgeschlagen und ihnen ihr Lebensrecht abgesprochen habe.
In Kempten genießt der damalige Oberbürgermeister Dr. Otto Merkt nach wie vor hohes Ansehen
Die Stadt Kempten arbeitet aktuell die eigene Nazi-Vergangenheit auf. "Wenn wir verstehen wollen, wie die NS-Herrschaft funktionierte und was sie so lange Zeit stabil hielt, dann müssen wir uns mit den Menschen beschäftigen, die innerhalb dieses Herrschaftssystems agierten", sagte Holly. Dazu zählt auch Merkt, der bis heute bei vielen Menschen vor Ort ein hohes Ansehen genießt. Unter anderem aufgrund seiner sozialen Ader als Gründer mehrerer Stiftungen. Aber auch als Heimatforscher und Politiker, der sich sehr für Kempten und das Allgäu eingesetzt hat.
Den Forschungsergebnissen der Historikerin zufolge befürwortete Merkt eine völkische Politik und die Rassenhygiene. Außerdem "aus rassehygienischen Gründen auch die Ausschaltung der jüdischen Bevölkerung, war aber offenbar mit den Methoden nicht einverstanden", sagte Holly. Einzelnen Juden in Kempten hatte Merkt beispielsweise in der Reichspogromnacht geholfen. "Aber mir drängt sich der Verdacht auf, dass seine Hilfe selektiv erfolgte."
Katrin Holly: Ein endgültig abschließendes Urteil kann noch nicht gezogen werden
Abgeschlossen sind die Untersuchungen noch nicht, Holly verwies außerdem auf erhebliche Forschungslücken. "Ein endgültig abschließendes Urteil über Otto Merkts Einstellungen und vor allem Handeln im Nationalsozialismus kann noch nicht gezogen werden", sagte sie.
Normalerweise findet die Veranstaltungsreihe Bewegter Donnerstag im Kempten-Museum statt. Da das Interesse an dem historischen Vortrag so groß war, buchten die Organisatoren (Kulturamt und Heimatverein) einen Raum im Margaretha- und Josephinenstift. Gekommen waren etwa 160 Menschen, im Anschluss an den Vortrag hatten einige von ihnen noch allerhand Fragen. Um was es dabei ging und welche weiteren Erkenntnisse Katrin Holly hat, folgt in den nächsten Tagen in einem weiteren Bericht.