Eltern mit schwer kranken und behinderten Kindern verbringen viel Zeit in Wartezimmern, bei Ärzten und Autofahrten. Eine große Belastung. Abhilfe bieten „Sozialpädiatrische Zentren“ (SPZ) durch fachübergreifende Termine mit Spezialisten, Untersuchungen und Therapien an einem Ort.
Aber die nächste solche Einrichtung ist in Memmingen und die Wartezeit für einen ersten Termin beträgt über sechs Monate. Nun wollen Klinikverbund Allgäu (Kempten), Kliniken Ostallgäu-Kaufbeuren und Lebenshilfe Ostallgäu gemeinsam ein SPZ in Marktoberdorf gründen.
Mit diesem neuen Kurs beenden beide Klinikgruppen ein jahrelanges Ringen um eine eigene Einrichtung in Kempten und Kaufbeuren. Statt weiter um eine Zulassung zu konkurrieren, geht es nun auf den Weg miteinander. Der Schritt unterstreicht die Dringlichkeit und könnte Schlüssel zum Erfolg werden. „Nach unserer Einschätzung erhöht ein gemeinsamer Antrag die Chancen“, sagen Beteiligte.
Bisher schlechte Karten für sozialpädiatrisches Zentrum im südlichen Allgäu: Anträge und Widersprüche wurden abgelehnt
Bislang standen die Karten schlecht für Betroffene im südlichen Allgäu. 2019 waren die Anträge aus Kempten und dem Ostallgäu vom Zulassungsausschuss abgelehnt worden. Petitionen und Widersprüche brachten ebensowenig Erfolg, wie zum Beispiel der Gang des Klinikverbunds Allgäu vors Sozialgericht München. Für die vom Klinikverbund Anfang 2020 (!) eingereichte Klage steht sogar noch der Termin aus ...
Dabei betonen heimische Fachleute den Bedarf, stark belastete Familien durch eine kompetente, wohnortnahe medizinische Betreuung in einem SPZ zu entlasten. Aktuell sei die Versorgungssituation schlecht. Und der Bedarf werde wegen der wachsenden Bevölkerung steigen. Auch weitere Beteiligte wie Lebenshilfe und Verein für Körperbehinderte sehen das so.
Aus Elternsicht gehe es auch darum, lange Fahrten aus dem Ober- und Ostallgäu zu vermeiden. Die nächsten Sozialpädiatrischen Zentren sind in Memmingen, Augsburg, München und Ulm. (Lesen Sie auch: Groteskes „Ringen“ um pädiatrisches Zentrum - Das sagen Klinikverbund und Fachärzte in Kempten)
Die Voraussetzungen für eine landkreisübergreifende Kooperation seien gut, hieß es jüngst etwa in einer Sitzung im Rathaus Kempten. Angedacht ist demnach die Gründung eines SPZ am Standort Marktoberdorf unter gemeinsamer Trägerschaft, um Ressourcen optimal zu nutzen und die Einrichtung an beide Kinderkliniken anzubinden. Um nun ein gemeinsames SPZ zu beantragen, ist auch eine entsprechende gemeinsame Gesellschaft nötig.
Klinikverbund Allgäu will 50-Prozent-Gesellschafter der SPZ Allgäu GmbH werden - das sagt die Politik dazu
Dazu soll nun die bereits gegründete „SPZ Allgäu gGmbH“ dienen, die bisher zur Hälfte den Kliniken Ostallgäu-Kaufbeuren und der Lebenshilfe Ostallgäu gehört. Nun soll der Klinikverbund Allgäu neuer 50-Prozent-Gesellschafter der gemeinnützigen GmbH werden. Die beiden Ostallgäuer Partner halten dann mit jeweils 25 Prozent die andere Hälfte.
Der Aufsichtsrat des Klinikverbunds Allgäu hat diesem Vorgehen bereits zugestimmt; nun sind dessen Gesellschafter gefragt. Im Oberallgäu hat nach Empfehlung des Kreisausschusses nun am Freitag auch der Kreistag das Vorgehen einstimmig abgesegnet. In Kempten stimmte der Hauptausschuss mit 10:1 zu; der Stadtrat ist dort am Donnerstag, 27. Juli, gefragt.
Arzt kritisiert geplante Doppelstrukturen: Seine Einrichtung könnte durch ein öffentlich finanziertes SPZ be- oder verdrängt werden
Unabhängig davon besteht in Kempten zudem ein privat geführtes „Zentrum für interdisziplinäre Neuropädiatrie Kempten“, das einiges abdeckt, was es auch in einem Sozialpädiatrischen Zentrum gäbe.
Dessen Betreiber kritisiert geplante Doppelstrukturen und dass seine Einrichtung durch eine öffentliche finanzierte Einrichtung be- oder verdrängt werden könnte. Vor Jahren überlegten der Arzt und das Klinikum noch, in Kempten zusammen ein SPZ aufzubauen, was aber an unterschiedlichen Vorstellungen scheiterte.