Kempten Es hätte wieder so schön werden können: am Samstagmittag beim Auftakt des Kemptener Jazzfrühlings auf dem Rathausplatz sein, bei Sonnenschein den Klängen einer Bigband lauschen, ein paar Lose des Lions-Clubs Kempten-Cambodunum kaufen, mit Freunden ein, zwei Bierchen trinken, eine Bratwurst essen, durch die Stadt schlendern, verschiedenen Jazz-Bands in der Fußgängerzone zuhören und Freunde treffen. Ja, es hätte schön werden können, wenn da nicht seit Wochen ein biestiges Virus Angst und Schrecken verbreiten würde. Wegen der Corona-Pandemie fällt erstmals seit 1985 der Kemptener Jazzfrühling aus. Am Samstag wäre die 36. Auflage mit dem traditionellen Open-Air-Fest in der Innenstadt gestartet. Für viele Musikfans ist die Absage ein herber Schlag, auch für den veranstaltenden Kleinkunstverein Klecks und seinen „Arbeitskreis Jazzfrühling“.„Das wird weh tun, wenn der Eröffnungstermin am Samstagmittag in meinem Handy-Kalender aufploppt“, sagt etwa Festival-Booker Andreas Schütz. Und seine Kollegin Ursula Speiser, die sich um die Finanzen des Festivals kümmert, weiß nicht, wo ihr der Kopf steht. „Im Grunde bin ich gerade in Kurzarbeit“, witzelt sie. „Sonst war kurz vor dem Start immer Highlife, und jetzt habe ich fast nichts zu tun.“Die Betonung liegt freilich auf „fast“. Denn tatsächlich gibt es für Speiser trotz der Absage noch einiges zu managen. Beispielsweise lagern in ihrer Garage drei Euro-Paletten mit 5000 Programmbüchern. Die müssen genauso entsorgt werden wie die 2500 Flyer, die 1000 kleinen und die 250 großen Plakate. Und dann gibt es ja auch noch Aufkleber und vor allem einige bedruckte Spann- und Brückenbanner. „Vielleicht können wir die Banner ja 2021 nochmals verwenden“, sagt Speiser. Die „36“ bleibe ja bestehen, man müsste halt das Datum überkleben. Was Ursula Speiser derzeit sehr fehlt, ist der persönliche Kontakt mit den Arbeitskreis-Mitgliedern. Normalerweise hätte sie am vergangenen Samstag den „harten Kern“ wieder zu sich nach Hause eingeladen. Traditionell wird dort eine Woche vor Festivalbeginn der Organisationsplan festgezurrt. Im Klartext geht es dabei darum, wer was wann macht, also um Fragen wie: Wer kümmert sich um den jeweiligen Bühnenaufbau? Wer holt welchen Künstler wo ab? Wer betreut ihn anschließend vor Ort? Wer sorgt für das Catering von Musikern und Arbeitskreismitgliedern? Wer übernimmt die einzelnen Kassen?Wie immer hätte Ursula Speiser ihren fünf, sechs Kollegen, die sich um die Festivalplanung kümmern, zur Stärkung des sechsstündigen Organisationsmarathons Spinatspatzen mit Schinken aufgetischt. Zu trinken hätte sie natürlich auch etwas serviert. „Was mein Keller eben so hergibt“, sagt Speiser und lacht. Am heutigen Donnerstag wäre dann das „Fahrerlager“, wie die „Kleckser“ ihren Festival-Treff im ersten Stock des Künstlerhauses nennen, eröffnet worden. Beim Festival-Warm-Up hätten dann die 50 Arbeitskreis-Mitglieder ihre Wochenpläne und Arbeitslisten erhalten. Hätte, hätte, Fahrradkette. Corona hat dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das bedauert Leonie Leuchtenmüller. „Ich vermisse diese wahnsinnig schöne Gemeinschaftlichkeit“, sagt die Kemptenerin, die den Arbeitskreis Jazzfrühling betreut. Sechs neue Mitglieder konnte sie heuer begrüßen, die unbedingt beim Festival mitarbeiten wollten. „Die muss ich jetzt vertrösten“, sagt die 32-Jährige, die auch als Festival-Bookerin Konzerte organisiert hat und obendrein als Sängerin mit der Band „TLC“ auftreten wollte. Und was wünscht sie sich „nach Corona“, also wenn die Menschen wieder zusammenkommen können? Sie muss nicht lange überlegen: „Ein kleines Fest mit dem Arbeitskreis zur Einstimmung auf den Jazzfrühling im nächsten Jahr."
Jazzfrühling Kempten