Oskar Vogel ist pensionierter Rechtsanwalt aus Kempten. Der 64-Jährige berät ehrenamtlich im Hospizverein Kempten Interessierte zum Thema Vorsorgevollmacht. Er erklärt, weshalb jeder über 18 eine solche Vollmacht haben sollte.
Was ist eine Vorsorgevollmacht, Herr Vogel?
Wir alle können durch Unfall, Krankheit oder Alter in die Lage kommen, dass wir wichtige Angelegenheiten unseres Lebens nicht mehr selbstständig regeln können. Mit einer Vorsorgevollmacht bevollmächtige ich eine andere Person, im Falle einer solchen Situation für mich zu handeln.
Jeder, der über 18 Jahre alt ist, sollte Ihrer Meinung nach eine Vorsorgevollmacht haben. Weshalb?
Entgegen der landläufigen Meinung gibt es kein allgemeines gesetzliches Vertretungsrecht unter nahen Angehörigen, also zwischen Ehepartnern oder zwischen Eltern und ihren (volljährigen) Kindern. Wenn beispielsweise ein 20-Jähriger einen Verkehrsunfall hat, danach auf der Intensivstation liegt und nicht ansprechbar ist, darf der Arzt, rein formal juristisch, den Eltern nichts über den Gesundheitszustand ihres Kindes sagen. Da ist die Erschütterung dann häufig groß.
Wenn der 20-Jährige auf der Intensivstation aus unserem Beispiel keine Vorsorgevollmacht hat, wer entscheidet dann für ihn und wie gelangen die Eltern an Informationen?
Dann wird ein Betreuungsgericht eingeschaltet, das dann nach einer Betreuungsperson sucht, sie prüft und dann ihr die Entscheidungen überträgt, die der 20-Jährige aktuell nicht selbst treffen kann. Natürlich bestimmt ein Betreuungsgericht dann häufig die Eltern, aber dieser Prozess kostet Zeit und Geld. Beides könnte man sich sparen, wenn der 20-Jährige eine Vorsorgevollmacht hat.
Was sollte unser 20-Jähriger bedenken, bevor er eine Vorsorgevollmacht ausstellt?
DAS WICHTIGSTE IST DIE FRAGE: Habe ich Vertrauen zu der Person, die ich bevollmächtigen möchte und traue ich ihr auch zu, im Ernstfall einen kühlen Kopf zu bewahren und in meinem Sinne eine Entscheidung für mich zu treffen? Oft findet man so eine Person innerhalb der Familie. Es kann aber auch der beste Freund sein. Die Generationenfrage ist auch wichtig. Wenn zu mir in die Beratung zwei 75-Jährige kommen, die sich gegenseitig bevollmächtigen wollen, dann frage ich immer, ob sie auch Kinder oder jüngere Verwandte in die Bevollmächtigung mit hineinnehmen möchten.
Was lässt sich in einer Vorsorgevollmacht regeln?
Grundsätzlich kann man alle Lebensbereiche abdecken. Also von der Gesundheitssorge, über den Aufenthaltsort, Post, bis hin zur Vermögenssorge und auch der Zugang zu digitalen Medien wird immer wichtiger. Man kann die Vollmacht aber auch auf bestimmte Bereiche beschränken oder einzelne Bereiche unter mehreren Bevollmächtigten aufteilen.
Wo sollte der 20-Jährige seine Vorsorgevollmacht aufbewahren?
Ich rate dazu, digital auf der Plattform www.vorsorgeregister.de zu hinterlegen, wer die bevollmächtigte Person ist. Und dann würde ich eine persönliche Vorsorgemappe anlegen. Geburtsurkunde, Heiratsurkunde, Vollmacht und Patientenverfügung und ggf. Wünsche zur Bestattung. Der Bevollmächtigte muss dann wissen, wo diese Mappe ist. Ich empfehle, sie beim Vollmachtgeber aufzubewahren und nicht beim Bevollmächtigten.
Im Ernstfall wäre es doch schneller und einfacher, der Bevollmächtigte hätte die Vorsorgevollmacht schon bei sich oder nicht?
Das schon, aber eine Vorsorgevollmacht bedeutet „volle Macht“. Sie gilt nach außen ohne Bedingungen und ab sofort. Das heißt, wenn der 20-Jährige einen Freund bevollmächtigt und der diese Vollmacht nutzen will, könnte er mit dem Original das Auto im Namen des 20-Jährigen ohne dessen Einverständnis verkaufen und es wäre wirksam. Dafür muss der 20-Jährige nicht auf der Intensivstation liegen. Das geht mit der Vollmacht immer. Zwar kann der 20-Jährige dann Schadensersatz für sein Auto fordern, aber sein Auto bekommt er deshalb nicht zurück. Deshalb sollte man das Original seiner Vorsorgevollmacht nicht leichtfertig aus der Hand geben.
Die Verbraucherzentrale bietet online einen Dienst an, mit dem man eine Vorsorgevollmacht erstellen kann. Was halten Sie von online bereitgestellten Vordrucken?
Empfehlenswert sind die, die vom bayrischen Staatsministerium der Justiz herausgegeben werden. Den von der Verbraucherzentrale kenne ich auch. Wenn man alles versteht und sich da sicher ist, dann kann man vielleicht auch online die Vorsorgevollmacht ausstellen. Ich empfehle allerdings immer ein Beratungsgespräch. Das dauert circa eine Stunde bei uns, ist kostenlos und ich kann Vor- und Nachteile einzelner Bestimmungen besser erklären. Insbesondere wenn Immobilien oder ein Unternehmen betroffen sind, ist eine Beratung durch einen Fachanwalt oder Notar empfehlenswert.

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