In den letzten Jahren stehen zwar zunehmend Werke von Komponistinnen auf den Klassik-Programmen von Ensembles und Orchestern. Doch der Raum, der fast vergessenen oder zeitgenössischen Komponistinnen gegeben wird, wächst nur sehr langsam. Das machte die Leiterin des Orchestervereins Kempten, Mary Ellen Kitchens, in einem Vortag klar, den sie im Rahmen der Frauen-Aktionstage der Gleichstellungsstelle der Stadt Kempten und in Kooperation mit dem Kempten-Museum in der Sing- und Musikschule hielt. Bis vor wenigen Jahren lag der Anteil der gespielten Werke von Komponistinnen in deutschen Berufsorchestern gerade mal bei knapp zwei Prozent.
Kempten sei jedoch eine leuchtende Ausnahme. Der Orchesterverein stellte in der vergangenen Saison ein Programm auf die Beine, bei dem fast zur Hälfte Komponistinnen vertreten waren. Die engagierte Dirigentin des Orchestervereins leitet seit 1991 den Klangkörper und ist hauptberuflich im Audioarchiv des Bayrischen Rundfunks tätig. Äußerst aktiv setzt sie sich für die Sichtbarkeit
von Komponistinnen ein. Seit 2012 leitet Mary Ellen Kitchens ein Frauenorchesterprojekt in Berlin. Darüber hinaus sitzt sie im Vorstand des Internationalen Arbeitskreises „Frau und Musik“ in Frankfurt und baut dort ehrenamtlich das Archiv auf.
In ihrem Lichtbildvortrag gab die aus Texas stammende Dirigentin einen Überblick über die Situation von Frauen im Orchesterbetrieb und die Wiederentdeckung vergessener Komponistinnen. An ihrer Seite ergänzte die Cellistin Elisabeth Dörr den Vortrag mit ihren Erfahrungen beim Bemühen, weiblichen Musikschaffenden zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen. Die Cellistin und Lehrerin spielt unter anderem im Frauenorchesterprojekt in Berlin mit und begründete zusammen mit Mary Ellen Kitchens die Konzertreihe „Frau und Musik" an der Sing- und Musikschule Kempten.
Der Vortrag vermittelte Zahlen über die Zunahme des Frauenanteils in Orchestern, über Forschung zu Komponistinnen aus dem 18. Jahrhundert und zur Förderung von zeitgenössischen Musikerinnen. Aufgelockert wurden die Fakten zu Institutionen, Archiven, zu Vernetzungsaktivitäten und Schritten zur Gleichberechtigung durch Videoeinspielungen von Werken von Frauen, die der Orchesterverein aufgeführt hat. Ernüchternd sind die Zahlen, wonach 30 Prozent aller weltweit aufgeführten Werke mit den zehn beliebtesten Komponisten wie Mozart, Beethoven oder Ravel bestritten werden. Es gebe zwar Fortschritte in der Beachtung von Komponistinnen, konstatierte Dirigentin Mary Ellen Kitchens, aber immer noch auch Defizite. Mit Stolz betonte sie jedoch, dass es in Deutschland kaum eine Stadt gebe, die sich so ausgiebig um die Präsenz von Komponistinnen bemühe, wie Kempten.
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