Es regnete in Strömen. Aber der Termin stand fest: Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Wirtschaft, Tourismus und Umwelt des Marktoberdorfer Stadtrates machte sich vor Ort ein Bild vom Zustand der fast 240 Jahre alten Kurfürstenallee. Etliche weitere Marktoberdorfer gesellten sich dazu. Angeführt wurde die Gruppe von der Landschaftsarchitektin Gudrun Dietz-Hofmann. Auf der gesamten zwei Kilometer langen Strecke erklärte sie an markanten Punkten die Pläne, die den Erhalt dieses Naturdenkmals sichern sollen. Im Gepäck hatte sie aber auch eine ganze Reihe von Vorschlägen, wie die Allee wieder ihre ursprüngliche Bedeutung gewinnen kann: Sie ist Teil des Schlossparkes, der um 1800 schon dem Kurfürsten Clemens Wenzeslaus seine Sommerfrischen im alten Oberdorf verschönerte.
Gudrun Dietz-Hofmann vom gleichnamigen Planungsbüro in Irsee hat im Auftrag der Stadt ein Parkpflegewerk für diese Lindenallee erarbeitet. Wichtig war ihr, die Bedeutung dieser Allee – immerhin die längste in ganz Schwaben – herauszuarbeiten. Bei ihren Erläuterungen vor Ort und danach auch bei der Sitzung des Ausschusses im Rathaus wurde deutlich, dass die Ziele nur unter Mitwirkung der Anlieger und Landwirte zu erreichen sind. Schon in der Vergangenheit haben viele Gespräche darüber mit Betroffenen stattgefunden.
Anlieger dürfen bislang bis zu ihren Häusern fahren und auch in der Allee parken. „Künftig sollte das nur für diejenigen Anlieger möglich sein, die von anderer Seite nicht an ihr Haus kommen“, sagte Dietz-Hofmann. Nur mit Sondergenehmigung sollte die Allee befahren werden dürfen. Die Schrebergärten, die sich an der Allee befinden, sollten ausschließlich über die Dr.-Julius-Straße angefahren werden.
Eine ganze Reihe von Gesprächen fanden auch bereits mit Landwirten statt, die ihre Felder nach wie vor über die Allee anfahren. Es wurden schon mehrere Varianten erarbeitet, auf welchem Weg die Bewirtschaftung alternativ zur Allee möglich wäre. An der praktischen Umsetzung fehlt es allerdings noch. Vor Ort machte Dietz-Hofmann deutlich, wie wichtig es wäre, die Wurzeln und Baumrinden der überwiegend über 200 Jahre alten Linden zu schonen. Ganz schlecht sei es zum Beispiel, dass die Asphaltschicht teils sogar bis ganz an die Baumstämme reiche. Ohnehin ist geplant, den Weg gänzlich vom Asphalt zu befreien und eine wassergebundene Decke (Deckschicht ohne Bindemittel, wie sie auch auf Forststraßen zu finden sind) zu ersetzen. Dietz-Hofmann erinnerte daran, dass durch die Allee so beliebte Fernwanderwege wie der Jakobsweg oder der Prälatenweg führen und sie auch Teil der Ostallgäuer Radwege ist.
Insgesamt sei der Zustand der Allee dank der permanenten Pflegearbeiten nicht schlecht. Allerdings sollten sie öfter stattfinden, sagte die Landschaftsarchitektin. Vor Ort und auch anhand von Plänen verwies sie auf Stellen, an denen nach- oder umgepflanzt werden muss, um jeweils die 5,50 Meter zwischen den Bäumen einzuhalten. Wildwuchs von anderen Gehölzen sollte entfernt werden, um den Linden gute Licht- und Wasserbedingungen zu schaffen. Sie schlägt auch vor, die Einmündung Dr.-Julius-Straße zurückzubauen und an dieser Stelle einen Baum zu ergänzen. Mehrmals erwähnte sie auch die Empfehlung, links und rechts der Allee jeweils einen Blühstreifen von zehn Metern wachsen zu lassen. Das diene der an dieser Stelle noch üppig vorhandenen Insektenwelt. Denn auch ökologisch sei die Allee von großer Bedeutung: Über 60 Käferarten und sechs Fledermausarten haben dort ein Zuhause.
Geradezu ins Schwärmen geriet die Landschaftsarchitektin, als die Gruppe am Ende der Allee, am sogenannten Waldberg, ankam. Sehr anschaulich beschrieb sie, wie dort zur barocken Zeit des Kurfürsten die Landschaft als Kulisse für idyllische Schäferspiele hergenommen wurde. Solche Ausblicke, die der Kurfürst damals vom Allee-Ende aus ins Geltnach- und ins Wertachtal und gleichzeitig auf die Berge genoss, gebe es derzeit leider nicht. Bäume versperren die Sicht. Dringend empfahl Dietz-Hofmann, die schöne Aussicht wieder herzustellen. Das würde den touristischen Wert der Allee ungemein aufwerten. Sie legte den Stadträten auch ans Herz, den Tempel wieder aufzubauen. Dieser Pavillon, der auf einer terrassenförmig angelegten Erhebung (dem höchsten Punkt etwas abseits der Allee) stand, war nach dem Tod des Kurfürsten (1812) abgerissen worden. Von dort aus aber könnte man die allerbesten Aussichten haben.
Zusammenfassend machte sie noch einmal deutlich, dass die Allee damals und heute in einem englischen Landschaftspark liegt. Mit Fug und Recht spreche man daher von einem Schlosspark, dessen Merkmale mit dem Parkpflegewerk deutlicher herausgearbeitet werden könnten.