Medikamentenengpässe machen Apothekern und ihren Kunden in Marktoberdorf zu schaffen. Patienten müssen sich auf Wartelisten setzen lassen oder teilweise höhere Zuzahlungen für alternative Medikamente leisten. Oft fehlen dringend benötigte Arzneimittel ganz. Manch Apotheker bezeichnet die Situation als „alarmierend“.
„180 verschiedene Medikamente sind derzeit nicht lieferbar“, sagt Apothekerin Claudia Dießenbacher von der Goethe-Apotheke. Darunter fallen etwa Antidepressiva, Psychopharmaka, Blutdruckmittel, Antiepileptika, diverse Impfstoffe, Ibuprofen oder Schilddrüsenarzneien. Diese Medikamentengruppen fehlen auch in anderen Marktoberdorfer Apotheken.
Viele Probleme können Apotheken lösen, indem sie beispielsweise das Produkt eines anderen Herstellers ausgeben. Häufig ist die Rücksprache des Apothekers mit dem Arzt notwendig. Manchmal ist dann ein neues Rezept fällig. „Für uns ist das Ganze ein extremer Zeitaufwand“, sagt Dießenbacher. Der durch Lieferengpässe verursachte Mehraufwand für eine Apotheke beträgt nach Angaben des Bayerischen Apothekerverbandes im Durchschnitt fünf Stunden pro Woche – und beläuft sich nicht selten auf das Doppelte.
Auf ein Medikament wochenlang warten zu müssen oder – wenn es nicht lieferbar ist – gar auf ein neues Präparat umgestellt zu werden, führt bei Patienten oft zu Verunsicherung, hat Apothekerin Dießenbacher beobachtet. „Vor allem ältere Menschen können das nicht verstehen und reagieren verängstigt oder ungehalten.“
Insbesondere die Umstellung von psychisch kranken Menschen auf ein neues Medikament birgt durchaus Risiken. Diverse Antidepressiva sind nicht einfach austauschbar. „Das ist vom medizinischen Standpunkt schwierig, da die Patienten auf bestimmte Wirkstoffe eingestellt sind“, sagt Apothekerin Ruth Eifel von der Arnica-Apotheke.
Warum kommt es überhaupt zu den Lieferengpässen? Eine Ursache ist laut Apothekerverband, dass Wirkstoffe für den Weltmarkt aus Kostengründen oft in wenigen Betrieben in Billiglohnländern wie Indien oder China produziert werden. Steht die Produktion dort zeitweilig still oder wird eine Charge aus Qualitätsgründen nicht freigegeben, können auch große Hersteller in Europa ihre Arzneimittel nicht liefern. „In Indien wird zum Beispiel in einer Qualität produziert wie in Deutschland in den 50er Jahren“, sagt Apotheker Martin Jorki, der in Marktoberdorf die Hubertus-Apotheke betreibt.
Ein weiterer Grund für die Engpässe sind die globalen Verflechtungen der Pharmafirmen, die weltweit ihre Produkte verkaufen und am liebsten dorthin, wo sie am meisten Geld verdienen. Manche Hersteller beliefern bevorzugt Märkte außerhalb Deutschlands mit höheren Arzneimittelpreisen als hierzulande. Apotheker Jorki kritisiert zudem, dass die großen Pharmahersteller ohne Lagerhaltung produzieren. „Das macht uns große Probleme.“ Das System sei insgesamt sehr anfällig, da es sich auf wenige große Hersteller konzentriere. „Ein Ausfall hat gigantische Auswirkungen“, sagt Jorki. Die Situation bezeichnet er insgesamt als alarmierend. „Und ausbaden müssen es die Kunden.“
Es sei manchmal schwierig den Patienten zu vermitteln, warum sie ein Medikament nicht bekommen könnten oder darauf warten müssten, sagt Apothekerin Ruth Eifel. „Die Erwartungen an das Gesundheitswesen in Deutschland sind eben hoch.“ Eifel ist der Meinung, die Apotheken bräuchten mehr Freiheiten. In der Apotheke müsse etwa der Wechsel auf ein verfügbares Medikament eines anderen Herstellers leichter möglich sein. Dies würde zu einer Verbesserung der Situation beitragen.