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Den Süden im Herzen

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Den Süden im Herzen

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    Seit einiger Zeit machen sich Werner Schmidbauer und Martin Kälberer in den letzten Dezembertagen eines jeden Jahres Richtung Süden auf, um gemeinsam mit ihrem Freund Pippo Pollina eine Woche in Sizilien zu verbringen. Süden ist für die drei Künstler, die alle aus dem Süden ihrer Länder stammen, aber nicht nur eine Himmelsrichtung – Süden ist ebenso ein Sehnsuchtsort, eine Utopie, ein Lebensgefühl. Ausgangspunkt des Programms „Süden II“ ist jene magische Silvesternacht am Meer, in der das Trio alljährlich gemeinsam mit den Sizilianern auf der Piazza des kleinen Ortes in das neue Jahr hinübertanzt und darauf trinkt, dass sich Freundschaft lohnt („Richtung Süden“). Beim Konzert im Modeon fühlt man sich mithineingenommen auf diese Piazza an diesem lauen Abend, voll von Menschen, Düften, Musik, Heiterkeit und Lebenslust. Doch es ist die große Stärke dieses Programms, dass es nicht bei diesen Wohlfühl-Themen stehen bleibt.

    Der Süden wird im Laufe des Abends mehr und mehr zum Politikum, denn es ist gerade jener Süden, der Ausgangspunkt der Migrationsbewegungen der letzten Jahre war. Stolz, hier ist sich das Trio einig, kann man nur auf Sachen sein, „für die man was kann“. Hierzu gehört aber nicht die „Zufälligkeit, in welches Land man geboren wurde“. Spontaner Applaus brandet auf, als Schmidbauer beklagt, dass „aggressiver, tumber Nationalstolz wieder salonfähig“ geworden sei. Die Stücke „Le città dei bianchi“ und „Stolz drauf“, die eine Solidarität „ohne Wenn und Aber“ besingen, werden zu humanistischen Appellen, zu Appellen an die „Südseite“ des Herzens.

    Die mal bayerischen, mal italienischen Texte sind so bunt wie das Leben, manchmal verträumt, manchmal ehrlich, manchmal zynisch, manchmal hoffnungsvoll, manchmal verspielt und manchmal nüchtern. Vor allem aber beeindruckt bei all dem die Authentizität dieser drei Ausnahme-Musiker: Pollina mit seinem warmen, berührenden Timbre, Schmidbauer mit seiner kraftvollen, aber nicht weniger anrührenden Hemdsärmeligkeit, beide unterstützt durch den kongenialen und dabei stets stoisch wirkenden Multiinstrumentalisten Kälberer.

    Als sich das Trio gegen Ende den schwierigen Fragen des Menschseins widmet, ist die Poesie tief bewegend, weil sie auch hier ehrlich erscheint und weder in Banalität, noch in Kitsch oder Pathos abgleitet. Sowohl Pollina, der in „Io e te“ den Verlust seines im letzten Jahr verstorbenen Bruders verarbeitet, als auch Schmidbauer, der meint, es gebe keinen Kummer, „den man nicht weggehen kann“ (Kierkegaard), sind von der Wichtigkeit der Leichtigkeit überzeugt, gerade in den Situationen, „in denen’s zach wead“. Am Ende stellt Schmidbauer die Frage des Ankommens, des Ziels im Leben („Ganz schee weit – und no lang ned da“). „Passa il tempo“ - besingt schließlich die Vergänglichkeit der Zeit, die sich „nia auf an Kaffee zu dir herhockt“. „Die Zeit vergeht, nix bleibt bestehen“ – doch hier möchte man Schmidbauer widersprechen: Es bleibt ein Abend voller besonderer, südlicher Momente, ein Hohelied auf die Demut, die Freundschaft und die Lebenslust.

    Zu Recht stehende Ovationen im ausverkauften Modeon.

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