Am Montagmorgen herrscht in der Werkstatthalle von Auto Singer geschäftiges Treiben. An einem der Fahrzeuge steht Artem. Auf den ersten Blick ist er von seinen Kolleginnen und Kollegen nicht zu unterscheiden. Und doch hat Artem eine besondere Geschichte. Es ist nämlich erst zwei Jahre her, dass der junge Mann vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland floh. Ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Ohne einen Job. Doch dank Auto Singer nun mit einer Perspektive. Denn Artem ist seit September vergangenen Jahres einer von 52 Auszubildenden in dem Marktoberdorfer Unternehmen.
Dass Menschen wie Artem mit einem passenden Unternehmen zusammenfinden, ist unter anderem ein Anliegen der Agentur für Arbeit. Sie vermittelt nicht nur Arbeits- und Ausbildungsplätze, sondern rief im vergangenen Jahr zusammen mit dem Jobcenter und dem Auto Singer zu diesem Zweck eine besondere Messe ins Leben: eine Jobbörse für Geflüchtete.
„Nach dem ersten Gehversuch im vergangenen Jahr wollen wir die Messe dieses Jahr wiederholen“, sagt Stefan Preisendanz, Geschäftsstellenleiter der Agenturen für Arbeit in Marktoberdorf und Füssen. Jedoch soll der Fokus nicht nur auf Geflüchtete gesetzt werden, sondern auf die gesamte Bevölkerung. Ob Jugendliche oder Erwachsene, Arbeitslose oder Arbeitssuchende: Alle sind am 5. Februar zur Messe ins Modeon eingeladen.
Jobmesse im Modeon ist für alle: Jugendliche, Erwachsene, Arbeitssuchende
Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine typische Ausbildungsmesse, sagt Preisendanz. Es sollen nämlich vor allem auch Erwachsene angesprochen werden. „So ein Angebot gibt es im Ostallgäu und in Kaufbeuren noch nicht.“ Die Arbeitsagentur will eine Plattform für einen persönlichen und unkomplizierten Austausch schaffen. „Speed-Dating“ mit 65 Unternehmen aus der Region“, nennt Preisendanz das Konzept.
„Unser erster Ansprechpartner war in dieser Sache Auto Singer.“ Das Unternehmen wagte im vergangenen Jahr mit Arbeitsagentur und Jobcenter nämlich nicht nur den Versuch mit der Jobbörse für Geflüchtete, sondern fand dort selbst Auszubildende aus der Ukraine.
„Die Messe holt den Faktor Mensch dazu.“
Christina Müller, Personalreferentin bei Auto Singer
„Für uns ist das eine Bereicherung“, sagt Christina Müller, Personalreferentin bei Auto Singer. „Die Bewerber haben uns auf der Messe menschlich so abgeholt, dass wir gesagt haben: Komm, mach ein Praktikum.“ Müller erzählt von sehr engagierten und gut vorbereiteten Interessenten, teils mit Tränen in den Augen und bewegenden Momenten. Und genau das mache die Messe aus, sagt Preisendanz. „Die Messe holt den Faktor Mensch dazu“.
Ausbildung im Ostallgäu: Ukrainischer Flüchtling bekommt Stelle bei Auto Singer
Die Entscheidung, die Bewerber einzustellen, hätte das Unternehmen nicht bereut, sagt Müller. Sie haben sich gut integriert und sich die Anerkennung der Kollegen erarbeitet. „Grundsätzlich sind wir in der luxuriösen Lage, dass wir viele Bewerbungen bekommen“, sagt Geschäftsführer Carl Singer junior. „Doch wir überlegen uns gut, mit wem wir starten.“
Das Unternehmen investiert viel in seine insgesamt 283 Angestellten. Müller erzählt von Nachhilfemöglichkeiten nach der Arbeit, falls es in der Berufsschule mal nicht so läuft. Sie erzählt von Gesprächsangeboten, aber auch von stetigen Weiterbildungsangeboten, die das Unternehmen bietet. „Ein Arbeitgeber, der sich nicht um sein Personal kümmert, hat keine guten Karten“, sagt Carl Singer jun.
Artem selbst ist über den sogenannten BewA-Treff zu Auto Singer gekommen. Es handelt sich dabei um ein Angebot der Agentur für Arbeit, bei dem Bewerber sich die Arbeitsplätze vor Ort anschauen können. In der Ukraine arbeitete Artem als Selbstständiger in der Baubranche. An Autos werkelte er hobbymäßig herum, erzählt er. In Deutschland angekommen, wollte Artem eine Arbeit machen, die ihm Freude bringt. Die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker erfüllt das Kriterium voll und ganz. Natürlich sei es schwierig, die deutsche Sprache zu lernen. „Aber wenn man das mit Engagement macht, fällt es einem leichter, sich die Sachen zu merken.“
Jobmesse in Marktoberdorf: Das ist am 5. Februar geboten
Eine weitere Besonderheit bei Artem ist die Bezahlung. Mit einem Azubi-Gehalt könnte er seine Familie nicht ernähren. „Erwachsene haben da andere Ansprüche als junge Menschen“, sagt Stefan Preisendanz. Über das sogenannte Qualifizierungschancengesetz kriegen Menschen wie Artem einen Zuschuss. Für solche fachspezifischen Themen stehen bei der Messe Experten bereit. Preisendanz berichtet von acht Netzwerkpartnern, die auf dem kurzen Weg für Fragen beantworten - unter anderem die Integrationsfachstelle. Die Messe soll nämlich auch Menschen mit Handicap in den Blick nehmen.
Die Messe findet am 5. Februar, im Modeon Marktoberdorf statt. Von 9 Uhr bis 12 Uhr werden Bewerber gezielt von ihrer Agentur für Arbeit und dem Jobcenter eingeladen. Von 12 Uhr bis 14 Uhr haben alle anderen Bürger, die auf Arbeitssuche sind, die Möglichkeit Kontakte zu knüpfen.
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