Startseite
Icon Pfeil nach unten
Marktoberdorf
Icon Pfeil nach unten

„So ein harter Hund heult wie ein kleines Kind“

Altdorf/Ostallgäu

„So ein harter Hund heult wie ein kleines Kind“

    • |
    • |

    Es war wieder so ein Tag, an dem selbst die jüngeren Schiedsrichter der Gruppe Ostallgäu nicht lange überlegen mussten. So sehr hatten sich die Szenen auf dem Fußballplatz auch in ihr Gedächtnis eingegraben. Und mitten bei diesem Treffen war einer, der dazu seine Sichtweise darstellte, weil er hautnah daran beteiligt war: Herbert Fandel, der ehemalige Fifa-Schiedsrichter. Er war diesmal der prominente Gast, den Obmann Ingo Weber in Altdorf begrüßte.

    Mit einem kurzweiligen und mitunter humorvollen Vortrag zog Fandel seine Kollegen in seinen Bann. In der Gruppe Eifel groß geworden, leitete er bereits als Zwölfjähriger ein C-Jugend-Spiel. In seiner aktiven Zeit als hochklassiger Unparteiischer – viermal war er in Deutschland Schiedsrichter des Jahres – leitete er bedeutende Partien. Neben zwei DFB-Pokal-Finals bleiben zwei weitere Ereignisse in seiner Vita als Karrierehöhepunkte immer präsent: die Leitung des Champions-League-Endspiels 2007 zwischen dem FC Liverpool und dem AC Mailand sowie die Berufung für die Euro 2008 in Österreich und der Schweiz. Drei Partien leitete Fandel dort, unter anderem das Viertelfinale zwischen Italien gegen Spanien. Wäre Deutschland nicht gegen Italien im Halbfinale gestanden, hätte Fandels Reise eine Fortsetzung gefunden. Aber so musste er entsprechend den Regularien trotz guter Leistung nach Hause.

    Geprägt haben den heute 55-Jährigen zweifelsohne zwei andere Begegnungen. Zum einen war es das Qualifikationsspiel zur Euro 2008 zwischen Dänemark und Schweden. Schweden hatte zunächst 3:0 geführt, ehe Dänemark auf 3:3 ausglich. Doch in der 89. Minute kam es zum Eklat. Was war passiert? Im Rücken von Fandel, jedoch von seinem Assistenten beobachtet, beging der Däne Christian Poulsen im eigenen Strafraum eine Tätlichkeit an seinem Gegenspieler. Die Folge: Rote Karte und Elfmeter. Zur Ausführung des Strafstoßes kam es nicht, weil ein stark alkoholisierter Dänemark-Fan den Platz stürmte und Fandel niederschlug. „Uhrzeit, Spielstand oder sonstige Umstände spielen keine Rolle. Ein tätlicher Angriff auf einen Schiedsrichter lässt nur eine Entscheidung zu: Abbruch“, beschrieb Fandel die Situation. Morten Olsen, damals Dänemarks Coach, war über diesen Vorfall so schockiert, dass er sich nach Spielschluss in Fandels Kabine begab und dafür entschuldigte, dass ein Einzelner mit seiner Tat das gesamte dänische Volk beschmutzte. „Ein harter Hund wie Olsen sitzt in meiner Kabine und heult wie ein kleines Kind, weil er sich so schämte. Das bleibt mir ewig in Erinnerung“, sagt Fandel.

    Die zweite denkwürdige Partie als Schiedsrichter war das Bundesliga-Spiel Rostock gegen Ulm. Auch die wird der Eifeler nie vergessen. Vier Rote Karten. Alle für Ulmer Spieler. Damit nicht genug, auch Ulms Trainer und den Sportdirektor verwies Fandel auf die Tribüne. „Da war Feuer unterm Dach. Mein damaliger Chef zog mich anschließend für zwei Wochen aus dem Verkehr, um mich der medialen Meute nicht zum Fraß vorzuwerfen“, erinnerte sich Fandel noch gut an die Tage danach.

    Nationalspieler Miro Klose hinterließ bei Fandel ebenfalls bleibenden Eindruck. Klose, damals im Trikot von Werder Bremen, bekam im Spiel Bremen gegen Bielefeld einen Elfmeter zugesprochen. Die Aktion war umstritten, und nach Rückfrage von Fandel bei Klose bestätigte dieser, dass es keiner war. „Einen Top-Fußballer wie Klose mit so viel Respekt und Anstand findet man im heutigen Profi-Fußball leider immer seltener.“

    Fandels Lebensmotto „Zufrieden zurückgeblickt, nach vorne gelebt!“ habe nicht nur mit seiner Karriere zu tun, sondern sei stets Leitfaden für sein Tun und Handeln. Für Fandel hat oberste Priorität, in seinen Ausführungen akzeptiert zu werden – vorausgesetzt, die Leistung stimmte. „Kompetenz musst du dir erarbeiten, Erfahrung kommt von selbst, Persönliches baut sich auf. Aber Akzeptanz ist für mich das zentrale Element der Mitarbeit“, ist er überzeugt.

    Heute coacht Fandel fünf Elite-Schiedsrichter und ist noch Mitglied der europäischen Schiedsrichter-Kommission. Mit einer kleinen Fragerunde endete sein Vortrag. Obmann Weber bedankte sich für einen Einblick in das „Innenleben“ eines ehemaligen Bundesliga-Schiedsrichters und überreichte ihm zum Dank ein kleines Präsent.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden