Wer beispielsweise durch den Sulzschneider Wald streift, muss regelmäßig darauf achten, nicht auf die Nase zu fallen: Es sieht unaufgeräumt aus im Wald. Überall liegen Kronen- und Stammteile abgestorbener Bäume. Hier und da stehen abgebrochene Stämme. Warum das so ist, erklären Förster Johannes Nachbar und Forstbetriebsleiter Jann Oetting.
Johannes Nachbar ist Revierleiter bei den Bayerischen Staatsforsten und pflegt den Sulzschneider Wald, der zum Forstbetrieb Sonthofen gehört. Er weiß, dass Holz als Energieträger zwar einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten kann. Die „losen“ Teile, die im Wald herumliegen, erfüllen jedoch viele wertvolle Funktionen im Ökosystem Wald, erklärt Nachbar in einer Pressemitteilung der Staatsforsten: „Abgestorbenes und vermoderndes Holz ist sehr wichtig für den Waldnaturschutz.“ Denn mehr als 20 Prozent der im Wald lebenden Vögel und Säugetiere, Pilze und Flechten sind für ihr Überleben darauf angewiesen. „Bei uns in Mitteleuropa leben rund 1300 Käfer- und 1500 Großpilzarten am und im Totholz, darunter auch viele sehr seltene Arten“, berichtet der Revierleiter. Dies sei der Grund, warum die Förster Totholz im Wald lassen.
Forstbetrieb Sonthofen: Schädlinge vermehren sich in frischem Fichtenholz
Die Gefahr, dass sich Schädlinge in dem herumliegenden Holz vermehren, besteht in unserer Region aktuell nur dann, wenn frisches Fichtenholz im Wald bleibt, ergänzt Jann Oetting, Chef des Forstbetriebs Sonthofen. Borkenkäferarten könnten diese Stämme nämlich nutzen, um sich rasch zu vermehren. Deshalb verwendet der Forstbetrieb die Fichte nicht, um den Wald gezielt mit Totholz anzureichern. „Wir nutzen dafür zum Beispiel starkes Totholz von Buchen, Tannen, Birken, Bergahorn oder Esche“, sagt Oetting.
Derzeit liegt der durchschnittliche Totholzvorrat aller Flächen des Forstbetriebs Sonthofen bei etwa 33 Kubikmeter pro Hektar. „Damit liegen wir bereits über dem bundesweiten Durchschnitt“, berichtet Oetting. Angepeilt sei, in Wäldern, die mindestens 140 Jahre alt sind, ein Totholzvorrat von 40 Kubikmetern – in jüngeren Wäldern strebt der Forstbetrieb immerhin 20 Kubikmeter an.
Totzholz im Wald liegen lassen, um Ökosystem zu schaffen
Um dies zu erreichen, ist das sogenannte Totholzmanagement ein wesentlicher Teil des Naturschutzkonzeptes der Bayerischen Staatsforsten: Alte, abgestorbene oder kranke Bäume, sowie einzelne, die vom Wind gebrochen oder umgeworfen wurden, belassen die Förster bewusst im Wald, bis sie natürlich zerfallen. Nach der Holzernte, wo beim Fällen stets auch starke Kronenäste oder abgebrochene Stammteile anfallen, räumen die Staatsforsten nicht auf, sondern lassen dieses Holz konsequent im Wald zurück. Dies schaffe ein Ökosystem für seltene, auf Totholz spezialisierte Arten.
Oetting verweist auf Untersuchungen, die zeigen: „Egal, mit welcher anderen Landschaftsform wir den Wald vergleichen – ob Meer und Watt, Flüsse, Kulturflächen oder urbane Bereiche – der Wald ist die einzige Ökosystemart in Deutschland, wo seit den 70er Jahren die Artenzahl nicht abgenommen hat, sondern gleichgeblieben ist. Und bei uns im Staatswald hat sie sogar zugenommen.“ Nützen und Schützen auf der gleichen Fläche, darin sieht er moderne Nachhaltigkeit im Wald.
Sulzschneider Förster nimmt erschwerte Bewirtschaftung des Waldes in Kauf
Dafür nehme man auch in Kauf, dass Totholz die Bewirtschaftung im Wald manchmal erschwert, sagt Förster Nachbar: „Beim Pflanzen junger Bäume kann uns Totholz daran hindern, schneller voranzukommen. Aber langfristig hilft es uns bei der Wiederbewaldung.“ Denn stehen gebliebene Baumstümpfe schützen beispielsweise vor Wind und Sonne. Und das sich zersetzende Holz wirkt wie ein Schwamm, der Wasser speichert. Dies sei besonders in Dürreperioden wertvoll. Oft sieht man auch gerade auf verrottendem Holz viele Bäumchen, die sich über die vielen Nährstoffe freuen. „Wir Förster nennen das Rannenverjüngung und die kann ich mir zum Beispiel auf Flächen, die stark zur Verunkrautung neigen, zunutze machen“, sagt Nachbar.
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